Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Kanzleistil

Kanzleistil

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in Kanzleien gebräuchliche (rechtssprachliche) Ausdrucksweise und Schreibart einschließlich der Beobachtung der Formalien; auch Kanzlei(ge)brauch schlechthin
Sachhinweis: Spaten,Sekretariat. I 2; Glaffey,Schreibart; Moser,Kanzlei 16-21; v.Justi,Schreibart 137-672; Pract. Anweisung z. Diplomatik (1776) 92-109; C. F. Boeschen, Ueber d. juristische Schreibart (1777); J. Chr. Adelung, Mag. für die dt. Sprache II St. 1 (1783) 127-142 (vgl. Ders., Ueber den dt. Styl II (1785) 67-88); Krünitz,Enzykl. 34 S. 521-532; v.Massow,Dienst 76-83; Bischoff,Kanzlei. I (Lit.); Allg. Enzyklopädie der Wiss. und Künste ..., hg. J. S. Ersch und J. G. Gruber, 2. Sekt., Th. 32 (1882) 367f.; Günther, R. und Spr. Reg.; H. Gramer, Ein Reformversuch des preuß. Kanzleistils i. J. 1800/ForschBrandenbPr. 15 (1902) 168-180; M. Haß, Über das Aktenwesen und den Kanzleistil im alten Preußen/ebd. 22 (1909) 521-575; Miller,NeuwürtVerw. 91; ArchZ. 53 (1957) 47; H. M. Schaller, Die Kanzlei Kaiser Friedrichs II. Ihr Personal und ihr Sprachstil/ArchDiplomatik 3 (1957) 207-286, 4 (1958) 264-327

I Definitionen und begriffliche Umschreibungen in Handbüchern des 18. Jh.s
  • cantzley-stylus ist die besondere schreib-art bey regierungen
    1710 Nehring,Lex. 80
  • cantzley-stilus ist die besondere schreibe-art bey regierungen und cantzeleyen
    1733 Zedler V 603
  • der kanzelley-styl ... die weitschweifige aus der oberdeutschen mundart entlehnte schreibart der meisten, auch hoch- und niederdeutschen kanzelleyen
    1775 Adelung II 1498
  • kanzelley-styl ... hat seinen nahmen von den kanzelleyen oder denjenigen obrigkeitlichen anstalten, wo allgemeine angelegenheiten schriftlich ausgefertigt werden. er theilt sich in zwey verschiedene unterarten, in den hof- und gerichts-styl
    J.Chr. Adelung, Magazin für die deutsche Sprache II St. 1 (1783) 127 [vgl. ders., Ueber den deutschen Styl II (1785) 69]
  • der kanzelley-styl ist ein gewebe von seltsamen und veralteten ausdruͤcken und redensarten. fast alle ... europaͤische kanzelleyen haben einen theil der alten sprache ihres volkes beybehalten, um sich desselben in urkunden, patenten, adels- und gnaden-briefen, verordnungen, vertraͤgen und andern oͤffentlichen schriften, wodurch der landesherr irgend eine gnade oder ein vorrecht entweder seinen unterthanen oder andern erzeigt oder mit andern fuͤrsten einen vergleich schließt, zu bedienen
    1785 Krünitz,Enzykl. 34 S. 521
  • jede [deutsche provinz] hat ihre eigenen gattungen von geschaͤftsaufsaͤtzen, oder wie man es zu nennen pflegt, ihren eigenen kurial-, kanzleystil 
    1785 Sonnenfels,Geschäftsstil 5
  • der canzley- curial- geschaͤfts-styl ist ... im engsten verstande die art und weise, wie schriftliche aufsaͤtze von den canzleyen in ruͤcksicht der schreibart so wohl als der formalien zweckmaͤßig ausgefertigt zu werden pflegen. gewoͤhnlich begreift man aber auch darunter die form, welche bey allen schriftlichen vortraͤgen in oͤffentlichen und gerichtlichen geschaͤften beobachtet werden muß ... der canzley-styl kann verschieden seyn 1) nach dem besondern herkommen der europaͤischen staaten ..., 2) nach der absicht der schriftlichen aufsaͤtze ..., 3) nach dem gegenstande der geschaͤfte, und in dieser hinsicht theilt sich derselbe in zwey hauptaͤste, a) den hofstyl (canzleystyl im engen verstande), welcher in schriftlichen verhandlungen entweder zwischen verschiednen staaten oder zwischen dem haupt und den gliedern eines staates statt findet ..., b) den gerichtsstyl ..., wohin alle schriftliche, sowohl gerichtliche als außergerichtliche verhandlungen der glieder eines oder verschiedner staaten uͤber rechte und verbindlichkeiten gehoͤren
    1793 Bischoff,Kanzlei. I 9f.
  • [Buchtitel: J.N. Bischoff,] lehrbuch des teutschen canzley-styls und der canzley-geschaͤfte zur befoͤrderung academischer voruͤbungen in denselben [Helmstedt 1793]
  • canzley-stil ist ... die art ..., wie schriftliche aufsaͤtze bey den untergerichten in ruͤcksicht der schreibart ... als der formalien und curalien zweckmaͤßig ausgefertiget zu werden pflegen. gewoͤhnlich begreift man aber auch darunter die form, welche bey allen gerichtlichen schriftlichen verhandlungen beobachtet werden muß
    1796 Terlinden,Registraturwiss. 100
  • diese form der geschäfte [die innere (wesentliche) und die äußere (zufällige) jeder einzelnen gerichtlichen Handlung] ist es, welche man unter dem namen des gerichtsstyls begreift, der eine gattung des canzley- oder curialstyls ist
    1800 Grolman,GerichtlVerf. 5
II
Vorschriften und Einzelheiten zu Gebrauch und Anwendung
  • concepten oder minuten ... nach unserm [des Kaisers] pesten nutzen dem canzleistilo gemess ... zu stellen
    1559 Fellner-Kretschmayr II 295
  • den secretarijs ... beuelchen, das sie sich guetter ferttiger handtschrifften, deßgleichen eines verstaͤndtlichen richtigen cantzley styli vnnd dessen obseruation befleißen
    1597 Reyscher,Ges. XII 506
  • [die Oberräte] klagten, daß sie so scharfe schreiben nie bekommen ..., wäre nit der kanzleistylus, so sonst gewöhnlich
    1644 ProtBrandenbGehR. II 538
  • insgemein hat man sich an den kanzeleystylum oder schreibart bey den regierungen zurichten
    1681 Spaten,Sekretariat. 369
  • sothane processus [in recurssachen] dem uͤblichen cantzleystylo gemaͤß eingerichtet ... worden [sind]
    1686 CCOsnabr. I 1 S. 477
  • 1711 Rädlein 173
  • hat jeder district oder amt seinen drosten (welcher nach dortigen cancelleistylo amtmann genannt wird)
    1715 Cleve-Mark/ActaBoruss.BehO. II 259
  • [gegen die gute deutsche Schreibart fehlt man durch] die unnoͤtige haͤuffung derer vielen substandtivorum und adjectivorum, welche den vortrag ... unverstaͤndlich machet, denen verfassern derer cantzley schrifften aber uͤberaus gemein ist und von denenselbigen ... mit der kuͤrtze, deren man sich im cantzley-stylo zu befleißigen habe, entschuldiget wird
    1747 Glaffey,Schreibart 26
  • soll er [geheimer rath] ... die alte titulatur und cantzley-stylum gegen unsere land-staͤnde und unterthanen erhalten
    Seckendorff,Fürstenstaat (1754) 666
  • die rath-schluͤsse oder decreta ... in reiner teutscher sprache, nach uͤblichem cantzley-stylo und hergebrachter titulatur, abgefasset ... werden
    Seckendorff,Fürstenstaat (1754) 689
  • muͤssen die patente, edicte, reglements und ordnungen ... in einer schoͤnen schreibart abgefasset werden ... die aͤußerliche form dieser schriftlichen aufsaͤtze bestehet darinnen, daß zufoͤrderst der ganze titel des regenten gesetzet wird; sodann werden ... die ... staͤnde und ordnungen der unterthanen genennet, ...hierauf folget die begruͤssung an die ... unterthanen, die abermals auf den canzleystil ankommt
    1755 v.Justi,Schreibart 341
  • [Überschrift:] circulare und formular, nach welchen der canzley-styl eingerichtet werden soll, de dato ... den 12. jun. 1764
    1766 NCCPruss. III 424 [vgl. ebd. 423-434]
  • circulare wegen des canzeley-styls an saͤmmtliche land-vogtey-gerichte, ... saͤmmtliche magistraͤte, domainen-aemter und adeliche gerichte in West-Preussen
    1774 NCCPruss. V 3, 1 Sp. 316 [vgl. ebd. 315-324]
  • man nimmt hoͤchster orten wahr, daß man ... auch bey den canzley- und gerichtsstellen ... lateinisch oder von dem latein abstammende worte nur mit deutschen buchstaben ... zu schreiben pflegt. gleichwie aber se. churfuͤrstl. durchleucht an ... dergleichen affectirten neuerungen kein gefallen tragen, so hat man davon abzustehen und sich hinfuͤro an den gewoͤhnlichen canzley- und gerichts-stylum zu halten
    1785 KurpfSamml. III 76
  • die kanzleypersonen [der Reichskanzlei] ... sollen sich in den ausfertigungen genau nach dem kanzleystil richten
    1792 Malblank,Kanzleiverf. III 430
  • ist ... ein jedes collegium [Landesjustizkollegium] an den vorgeschriebenen oder observanzmaͤßigen canzleistyl in seinen verfuͤgungen gebunden
    1792 v.Massow,Dienst 76
  • 1796 Terlinden,Registraturwiss. 107
  • die canzlisten ... sind bestimmt, dasjenige, was ihnen ... aufgetragen ... wird, ... dem canzley-gebrauche gemaͤß ins reine zu schreiben und dabey sowohl die aͤußern nothwendigen eigenschaften des canzleystyls als die zufaͤllige form desselben, welche in den concepten gewoͤhnlich mit abkuͤrzungen bemerkt zu werden pflegt, zu beobachten
    1798 Bischoff,Kanzlei. II 1 S. 126
  • des großherzogs ... intention bey der beabsichtigten veränderung des canzleystyls kann wohl keine andere seyn als denselben möglichst zu vereinfachen, soweit es ohne nachteil für würde und nachdruck in öffentlichen verhandlungen geschehen kann
    1818 Weimar/ArchivarHistoriker 454f.
  • oJ. DWB. V 181
  • oJ. Weigand-Hirt I 983
unter Ausschluss der Schreibform(en):