Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Notrecht

Notrecht

, n.


I rechtliches Zwangsmittel, mit dem ein Rechtsanspruch gegen den Willen des Verpflichteten durchgesetzt werden kann, meist ein außerordentliches, verkürztes Gerichtsverfahren (insb. wegen Forderungen gegenüber Fremden, wegen Gesindelohns, rückständigen Pachtzinses, Entgelts für eine Mahlzeit uä.), bei dem der Kläger seine Klagebehauptung vor dem Beklagten durch Eid beweisen darf und in dem idR. am selben Tag entschieden wird; die konkrete Funktion ergibt sich erst aus dem prozessualen Zusammenhang
  • swelich man den anderen vmbe schult beklaget vnde gewinnet her die mit notrechte, daz můz her des selben tages gelden
    1261 MagdebR. II 1 S. 5
  • H.P.'s vrůwe quam ingeheget dingh vnde het behalden gor erue mit noth-rechte; ok scal man sie in dat silue erue wisen
    um 1320 Halle/Lasch,NdStB. 57
  • des hebbe ek [Schiedsrichter] ... mek bevraghet by den vorsten, by den heren unde by den wisesten, dat ek spreke ane notrecht, also alse se beydenthalven to mek gegan hebbet na rechte to vorschedende
    1330 GoslarUB. III 567
  • welich man dem andern schold angewinnet mit notrecht, also das her spreche her heth ze ym vorgolden, ader her wer ym nicht scholdig, vnd torfte do vor nicht gerichten wenne ys doczu queme vnd seczt ym eyn pfand do vor, daz mag her vorkowfen adir vorseczen vndir dy iuden
    1. Hälfte 14. Jh. Leobschütz/Böhme,DiplBeitr. I 2 S. 14
  • beschuldigt ein man den andirn umme syn garen kost, di her gessin habe in syme huse, unde her im des loukint, so mag her synir geren kost vunf schillinge behaldin kegen jenem uf den heylygin. das ist ouch notrecht 
    1353/63 MagdebR. II 1 S. 50 [ebd.ö.]
  • umme gelt, das ayn man awf dem andern hat mit not recht erstanden, vorpeut her ym wol seyn berait pfenning, wo her ir inne wirt czu eynem andern manne, der yr icht inne hat
    vor 1360 IglauOberhof 80
  • was geldes eyn man in der purger tauel oder in irem puch geschryben hat, es sey erstanden mit notrecht, oder sey gelobt vor scheppen
    vor 1360 IglauOberhof 81
  • wer vorclaget wirt vmme gelt vnde off den gestanden wirt drey eliche ding daz her dirclagit vnde dirfordert gelt mit notrechte daz sal man leysten bey tagelichte
    1386 GlogauRb. 61 (Kap. 504)
  • dirsthet her aber off seyne clage vnd gewynnet dy schult mit notrechte vnd om phant wirt gehulffen do darff her nicht auff beyten
    1386 GlogauRb. 61 (Kap. 506)
  • sprechen aber knechte vnd meyde iren heren oder frawen czu vmb iren lidelonne vnd tzihen fure, man habe in vrlaube geben, dieselben ir herren oder frauwen, welchen man czuspricht, bekennen oder nit, der rede sol man glauben on nötrecht, wanne herren vnd frauwen das recht haben, knechten oder meyden vrlaube czu geben, wenne sie in nicht fugen
    Ende 14. Jh. BambStR.(Parigger) 369, 1
  • entrumt her abir sime nagkebur williclich ane notrecht, so sal der, di den gebuw tud, dessim, der em entwichin ... had, daz wedir lassin machin, alz gud, alz ez vor waz
    Ende 14. Jh. EisenachRB.(Rondi) III 17
  • beclaget denne [nach einem Verfahren vor einem unzuständigen Richter] der antwerter den cleger weder vor irer beyder richtere, nu wolde er em lichte ein neyn dovor sprechen: zo queme der antwerter in schaden. solliches zu bewaren ist not. er sal den richter vordern ehr er zu notrechte brocht wirt, unde umme sien bekentnize bitten ... nach deme bekentnize sal en der beclagen, unde so mus er den antwerter schadeloz halden
    Ende 14. Jh. GlWeichb. 390
  • [Versprechen,] den adel vnd die von der ritterschafft vmb vnser schult an gericht vnde noitrecht [nicht] zu pfenden
    vor 1425 Kassel 478
  • sintdemmal daz dy L. dy testamentarien zcu notrechte gedrungen hat, vnde dy selbeten testamentarii ores geczuges kegen or fulkommen sint, so musz es dy L. halden
    1425 HalleSchB. II 488
  • das mich H.B. czwee gancze yare genotiget, zu nottrechte vnd zu gastrechte getrebin had
    1439 MagdebR. II 1 S. 368
  • K., J.S. eeliche wettewe, ist komen vor gehegit ding vnde had gegebin zcu F.v.B. eelichin wiebe vmbe nuenczen schog an eynen ort, dy sy vndir H.M. besaczt had vnde mit notrechte abgewunnen had; do wart gefunden vnde geteilt, man sulde or dy by sonnenschyne reichen
    1440 HalleSchB. II 473
  • wolten wir obgenanten verkeuffer behafft sein vnd außrithunge thun vnd iren slechten worten dorvmb gleuben on notrecht 
    1444 Eberstein2 I 363
  • ich gerede ... mein hernach geschrieben buͤrgen von dieser burgschafft zu ledigen on notrecht vnd on allen iren schaden
    1452 Herrmann,Eyb 118
  • daz her beweizit mit scheppen register und gehegter banck, und dy mit notrechte dem ancleger angewonnen hat
    1462 Krakau (bestimmt für)/Ius Commune, Sonderheft 68 (Frankfurt/M. 1995) 146
  • solch scheden all solten wir in abthun ... on wider sprechen iren schlechten worten on notrecht darumb an ayde zu gelauben
    1482 MBoica XVII 374
  • des habin dy antworter dy schepphin gewonnen mit notrechte daz sy haben bekand ... daz
    15. Jh. LeipzSchUrt. 362
  • nu reden uns die von L. an ummb achczig scheffil und wollen uns dorummb dringen zcu notrechte 
    15. Jh. Wasserschleben,Samml. 150
  • gewinnit eyn man gelt mit noet rechte unde wirdt im das getelit czu beczallende bey tagis licht und nymmit her do vor phant, ... das mag her czu hant nicht vorkeuffin ... sundir her mus das helden als phant recht ist
    15. Jh. Magdeburg/Stobbe,Beitr. 104
  • [gelobt K.L. dem H.T.] das lenrecht zcu entrichten, schirst zcu erbeitenn, gutlich an alle notrecht 
    1507 JenaUB. II 412
  • wo aber der cleger auf den beclagten [ein wilder gast] die schult vor gericht mit notrecht gewinnet, ... zu solcher schult mag er keinen aufschube ... haben, [wenne er muß die zuhand bezalen]
    vor 1524 LeipzigSchSpr. 62
  • so sich ir zwene mit einander irten und sich der sachen mit einander nicht vertragen mochten, sonder je zu recht wolten geschieden werden, also das einer dem andern seine gerechtigkeit mit notrecht angewinen must [so muß der Unterlegene Wette und Buße zahlen]
    vor 1524 LeipzigSchSpr. 80
  • so ain gast umb gastrecht anrieft und ime usserhalb ordenlicher gerichtstäge ain gast- oder ain nothrecht gehalten wirdet
    1532 WürtLändlRQ. II 774
  • [Übschr.:] nothrecht. was einem alda zuerkandt wierdt und gesprochen, daßelbe mus des tageß ausgerichtet werden
    1. Hälfte 16. Jh. BreslStR. 94
  • waß nothrecht sey. das mag vorlegt werden auf wahre, so vorterblich sein, als nemlich auf wein, fleysch ... zum nothrecht kan keiner gehöret werden, mit klage, so ... liegende gründe belanget
    1. Hälfte 16. Jh. BreslStR. 103
  • unsere underthanen von stedten mit notrechte der gerichte und orber halben genotdrengt ... werden
    1558 CDSiles. 27 S. 206
  • darumb wir iren schlechten wortten one aidt und nottrecht glauben geben
    1574 Winter,Rentenkauf 141
  • nottrecht wirt gemeiniglich gebraucht, wo lebendige thier, so teglich atzung bedurffen, auch andere verderbliche wahre ... zu pfande gegeben ... seindt; den so mag der glaubiger und sperrer durch nottrecht erlangen, solch thier und waren zuverkauffen, mit diesem ... bescheidt, das er erkauff gelt in die gerichte ... niederleg ... ausserhalb diesen fellen moegen vill andere ursachen vorfallen, dorumb billich ein nottrecht gestattet ... wirt
    vor 1591 Breslau/OlmützGO. 28 Anm.
II
Gericht über Gewalttaten
  • dem doden is dorch des ... vaget ... de dat var vnde noth-recht daraver holden leth, sine hanth afgeledeth worden
    1538 Dittmer,Sassenrecht 39
  • noth- oder vietz-recht tho hegen
    1573 HadelnPriv. 151
  • nachdem der beschuldigte todtschlaͤger N.N. allhier vor diesem offenbahren jhrer koͤ. may. nothrecht ... in persona nicht erschienen, sondern dem rechten den ruͤcken gebohten
    1634 Dithmarschen/Wiesand 917
  • formul enes nottrechtes offte vorschreyung ener entheveden [folgt Formulartext]
    vor 1646 BremJb. 43 (1951) 313
III Rechtsprechung in Fällen der Notzucht 
  • nohtrecht wird genennet, wann in nohtklagen wird recht gesprochen, da man uͤber nohtzucht und vergewaltigung das recht ergehen laͤsset
    1671 Schottel,SingJur. 337
IV Kampfgericht
  • so nymmet des klägers kempher den kläger bei der hand und führet ihn dry stunt umb und umb ... und y als dicke als er hinder sinen wydersacher komme, so biddet er y yn, dass er yn des notrechten erlaise, so swyge hener
    Mitte 14. Jh. MittFrankf. 5 (1874/79) 299
V
Recht des übergesetzlichen Notstandes
  • ausser dem nohtfalle wird auch noth-recht genennet, wenn ein buͤrger in einer republic sich zu ubernehmung eines unentbehrlichen amtes oder verrichtung zwingen lassen und gehorsam leisten muß
    1738 Hayme 752
  • der nothstand einer republic giebt dem regenten das recht einer ausserordentlichen ober-herrschafft und ober-eigenthums, vermoͤge deren er seine unterthanen auch mit gefahr ihres lebens zu ausserordentlichen diensten zwingen, ingleichen ihre guͤther ungehindert veraͤussern ... kan, welches man in so weit ein noth-recht oder eine nothhülffe nennet
    1738 Hayme 752
  • das notrecht (ius necessitatis). dieses vermeinte recht soll eine befugnis sein, im fall der gefahr des verlusts meines eigenen lebens einem anderen, der mir nichts zuleide tat, das leben zu nehmen
    1797 Kant,Rechtslehre 36
  • der sinnspruch des notrechts heißt: "not hat kein gebot"
    1797 Kant,Rechtslehre 37
VI wie 1Not (II) 
  • von notrechte. irret ymant desir dry note eyne, gevencnysse heren dynst ader beteuart adir wassir not, dy mus her tzu iclichem dynge tage vorboten
    um 1394 KulmR. III 87
VII das notwendig zu zahlende Entgelt
  • eallum æhtemannum gebyreð midwintres feorm ⁊ eastorfeorm, sulhæcer ⁊ hærfesthand(f)ul toeacan heora nydrihte [allen leibeigenen Leuten gebührt ein Weihnachtsschmaus und ein Osterschmaus, ein bepflügbarer Acker (Landes) und (täglich?) in der Ernte eine Handvoll (Korn) neben ihrer nothwendigen (Mindest)gebühr] 
    um 1020/30 Liebermann,AgsG. 450
unter Ausschluss der Schreibform(en):
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