Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): 1Reis

1Reis

, n.

dim. Reislein u. Reis'chen 

I Zweig als Rechtssymbol für ein Grundstück bei dessen Übertragung auf eine andere Person; der Veräußerer übergibt dem Erwerber das Reis (in anderen Fällen einen Halm oder eine Scholle) in einem formellen Rechtsakt
Sachhinweis: HRG.1 V 1829 ff. s.v. Zweig
  • hie-nä nam de coningenne / eyn rijs mit blijden senne / ende sade: her Demophon, soen / nu nempt, here. ir moest untfoen / mijn rijch, dat ich uch geve hier
    um 1300 Roman van Heinric en Margriete van Limborch, hg. von Th. H. A. Meesters (Amsterdam/Antwerpen 1951) XI 674
  • war men eyn erff ryss van eygen edder lygende grund gift edder verlet, alse me dat dem richter heft geantwert, so vrage he den buren, wat richter u. bure an dem ryse hebben ... de dat ryss verlet gift den orlof, u. de dat wedder entfengt den winkop. so esschet u. biddet denne dy ander dat ryss. als dat deme richtere to syner behuff geantwerdet u. verlaten is, so gift he en dat ryss 
    Anf. 15. Jh. Altmärkische Glosse/SspLR. I 34 § 1
  • soe sall die richter den verkoiper an sin hant doen een risken mit wat eerden daer umb gedruckt: daer draghet mi dat maldersaitz erves mede up, ind biddet mi, dat ick dat den koiper vort verreike
    1449 Emmerich/ZRG. 10 (1872) 192
  • hebbe ick ... desulue houe landes ... vor richter un buren in ghehegeden dinghe myt enem ryse den ergenanten kalandsheren upghegeuen
    1455 Gercken,Frag. March. I 180
  • wy zcu rechtir dingeczeyt zcum voitdinge ... komen sint [drei Schwestern] ... und haben sich vorczegen vetirlich und mutirlich erbe und uffgegeben mit eynem reyße 
    1472 LübbStB. 68
  • nam yck [Richter] dre grone rysere, gaff ytlyken erwerdigen decken vnd den synen, ... satte se dar mede na gogerichtes rechte in were ... gewyseder marcke, eynen ytliken tho synem rechten
    1480 ArchWestf. 4 (1831) 172
  • dy bruder habin den swestern eyne genughe gemacht vor ir vetirlich [und] mutirlich anirstorbine gut, alzo daz sie sint gegangen vor dez dorfez schultheiszen, unde nicht vor gehegeten dinge, unde vor die gebure, unde sich mit eyme ryse vorczegin, waz yn von vater unde von muter anirstorben waz
    2. Hälfte 15. Jh. MagdebSchSpr.(Friese) 455
  • das J.S. ... den schultenhoff ... mit alle seiner thobehoringe ahn acker, wischen weiden ... mit avergevinge eines frien rises ... vorlaten [hat]
    1547 BrandenbSchSt. I 227
  • [daß] sie ... demselben für der gemeine zu P. das reiß uber berürtes coßatenguth ubergeben [hat]
    2. Hälfte 16. Jh. BrandenbSchSt. IV 52
  • allda [im Wald] ich von einem buchbaum ein reis gebrochen, selbiges herrn H. eingehändigt, der solches acceptiert ... daß er nunmehr auch diesen wald ... nomine seines herrn prinzipalen in völlige possession genommen
    1709 FriedbergGBl. 13 (1938) 99
II in Reis liegen, zu Reis sagen / aufgeben (u.ä.) als feste Wendungen für den Sachverhalt, daß ein Weingarten nicht ordnungsgemäß bebaut und daher auf einen neuen Besitzer übertragen wird
  • warn auch die ... weingarten alle in dem vierden iar vnverdient gelegen, vnd warn auch darnach ze reys gesagt
    1354 KlosterneubStiftUB. I 354
  • das si die ... güter beschawt vnd geschatztt hieten vnd das sie so gar vrpaw vnd öd worden wern, das man si ze recht ze reys sagen solt
    1407 WienSchottenUB. 502
  • wann ain weingarten zwaͤi jar ungesniten und unverdient beleibt, so mag man in ze reis sagen
    1415 NÖsterr./ÖW. VII 492
  • ob ainem pergmaister ain weingarten zu reis gesagt wurde und sich der pergmaister des weingartens underzuͤg ôn des gruntherren willen und wissen, der sol gefrevelt haben
    1446 NÖsterr./ÖW. XI 129
  • wann ain guet in reiss und öd ligt, dass der grundher dasselbige guet einziehen wil, so mag er ain unparteisch reissrecht besitzen lassen
    1526 Tomaschek,Wien I 138
  • sollen richter ... achten geben auf die öden weingarten und grünt, ... wemb die ... zugehörig und ob solche wiederumben zu reuß aufgeben, außgesetzt und gestiftet
    um 1650 NÖsterr./ÖW. VII 906
III
Zweig als Friedenszeichen
  • da nam jr ainer an die handt / ain reysz, als der wirt geriet, / do er von seinen gesten schied; / da můst jr fride staͤte sein
    1257/59 (Hs. 1504/16) Biterolf(Schnyder) V. 3173
IV von der Bed. "Zepter" übtr.: Herrscher, auch Herrschaft
  • ich sitze in dîme gedinge, / du bist mîn oberstez rîs 
    um 1230 Ortnit 41,2
  • 1523/39 SchweizId. VI 1329
V "Maßeinheit für die Heumenge, die auf einem eigens dazu bestimmten Balken oder großen Tannenast, dem Reis, bei günstiger Schneelage von hochgelegenen Wiesen, Alm- oder Bergmähdern zu Tal geschafft werden kann" VGrGörzUrb. 142
  • isti sunt redditus domini mei ... pro stiura librae 3 et si obtinebit pratum dabit duo reis feni
    1299 VGrGörzUrb. 32
VI (dürre) Zweige als Bündel

VI 1 Reisigbündel als Bannzeichen zur Sperrung des Zugangs zu Feldern und Wiesen
vgl. reisern
  • sullent die bannwarten gan an dem balmetage, unde sullent an iedwedern brugil ein ris steken, unde sullent damitte kunden, das sie ze banne sint getan
    1320 Unterelsass/GrW. I 671
VI 2 Reisigbündel oder Laubwisch als Zeichen für die amtliche Genehmigung zum Verkauf von Waren und für die zeitlich befristete Schankgerechtigkeit
  • es sol auch kain außer man der in dem merkt nit burkrecht hat darinnen nit schenken under kainem raisch mit der pfening weert maß
    1408 Steiermark/ÖW. X 266
  • off innych fremd man dar quem, der sael eyn ryss up syn gezouwe stechen, dat all man sey, dat hey veylen kouff haeve
    1. Hälfte 15. Jh. RhW. II 2 S. 75
  • ob ein ausswendig man zu K. keme uf den platz vnd veilen kauf hette, der sall ein ris uf seinen wagen stecken, dat man sehen mag dass er veilen kauf habe
    1596 Eifel/GrW. II 680
  • wan einer were der wein zapfen wolt ... soll er ein gruehn reis uf sein vass stechen ... alsdan sall er die macht han wein zu zapfen und geldt zue loesen
    oJ. Eifel/GrW. II 675
  • ouch sal man ... am suntage noch andern heyligen tagen ... kein byrczeichen iss sey reis ader banck, anlegin
    oJ. Görlitz/NLausMag. 69 (1893) 54
VI 3 dem Fischfang dienender, "mit Pfählen umgrenzter Reisighaufen, von den Fischern als Schlupfwinkel für die Fische in die Tiefe des (Boden-)Sees versenkt, nachdem das Reisholz zuerst am Ufer längere Zeit gewässert wurde, damit es untersinke" SchweizId. VI 1330
Sachhinweis: SchrBodensee 39 (1910) 100f.
  • hat sich ein raut underrett von der ryser wegen, also alle die riser, so in 50 jaren in der statt gebiet und kraiß im sew oder im Rin geschlagen sindt, daz man die widerumb usziehen oder die aber der statt verzinsen sol
    1429 KonstanzRbfRotB. 98
  • es soͤllen ... die riser, so in den hernach bemelten zilen und kraissen allenthalben in dem Obernsee gestossen sind, ußgezogen werden ... und dehain riser mer hinfúro daselbs hingestossen werden
    1481 ÜberlingenStR. 154
  • von A. sol geben werden xvii karren riss, by den L. klain fisch ze fachen
    um 1500 QFReichenau II 52
  • was ryser biß uff hüttigen tag in Bodensee gemacht sind, die mogen also one wyterung pliben, aber wol vor abgang bewart werden. aber hinfür soll niemands ainich rys wyter oder von nüwem machen, das den zugen mog schaden bringen
    1513 KonstanzWirtschR. 14
  • es soll kain vischer on erlobung ains burgermaisters und rats ryß im see machen
    vor 1527 KonstanzWirtschR. 9
VI 4 (dürrer) Zweig, Reisig(-bündel)
  • [plaustrum fruticum] quod vulgo riser dicitur
    1292 BaselUB. III 38
  • ob ein armer ins holz führe, und begrieff derselb einen der über zwei raiszlein nehme, so solt er denselben nehmen und solt ihn mit der hawe den junkhern zu R. bringen
    1494 Franken/GrW. VI 54
  • haben die vorstmeister ... das ris zu verkaufen, so von brennholz abgehet
    1514 WürtLTA.1 I 180
  • die katten sullen rysser lesen, stocke bocken, moyß plucken, eßpen hauwen mit den eruen in iren gemarcken
    1573 (Hs.) Hausmann,HofgElberf. 17
  • [Anspruch der Vasallen gegenüber dem Kapitel auf 600] bergische klopellholtzer [und 3000] reiß oder zopen
    1650 JbDüsseld. 48 (1956) 244 Anm. 282
  • die vorzuͤglichen feld-servituten sind: ... verdorrte aeste und reiser zu sammeln
    1811 ÖstABGB. § 477
VII Büschel, Bündel; Getreidegarbe (Beleg 1358)
vgl. Mandel (I)
  • quod si non fecerit tunc messor talis de frugibus ab ipso messis ad virgam suam quae dicitur rys ligare et recipere poterit
    1358 Burckhardt,Hofr. 154
  • wird auf das zehend-maͤndel ein ehren-busch, halben schopf, reiß von N. oder anderes zeichen gemacht
    1752 Greneck Anh. 26
VIII als Zeitangabe: (Baum) im/bei Reis iU. zu (Baum) im/bei Laub als Bez. der laublosen Jahreszeit
vgl. Laubreise
  • al des stichtes lude vnde meygere. de syn iv denstes plichtech van rechte des jares to donde twe denst. en by love. vnde dat andere by ryse 
    1376/79 CalenbergUB. IX 133
  • was die holten derenthalben dem holzgreven vor gerechtigkeit gestehen? des jahrs vier bäume, zweine im rise und zweine im love
    1579 Niedersachsen/GrW. III 256
  • weme die holten die windbraken zu erkennen? eingebr. dem holzgreven, vnd fellt einer im laube, so soll er den im laube wegholen, lest er ihnen aber liggen bis ins ris, so mogen die holten den baum wegholen ... felt auch einer im rise und bleibet liggen bis ins laub, so sols gleicherweise damit gehalten werden
    1579 Niedersachsen/GrW. III 256
  • ob der holzgreve auch über dieses mehr zu geniessen haben soll? eingebr. wann keine mast ist, gebühren ihm zwei bäume, einer bei laube anderer bei reise 
    1605 Niedersachsen/GrW. III 286
IX wie Reisgejaid (I) 
  • vermerkt das reisjaid das alweg der her von im lest, und wie es dan einer bestet von 1 sant michels tag pis auf den andern, und das gelt gehort der heiligen junkfrawen sancta Katherina. und dem reis sol nimant unterrichten. begreuft man aber ein, so mus er dem reisjeger den varst ausrichten
    Ende 15. Jh. NÖsterr./ÖW. VII 358
  • weilen deroselben [gerichtsherrschaft] velligen reis und waidenei [Weidwerk] zuegehörig
    Anf. 16. Jh. Tirol/ÖW. V 247
X Stangenholz, junger Baum, auch als Grenzmarkierung
  • dafür slecht er in dem wald zway holz, ydlichs vier und zwainzig reiser 
    um 1435 Bayern/GrW. III 649
  • [wer] zymmern wollte, der soll einen herrn darumb bitten, so soll im ein herr derlauben ... vier reiser, die soll er schneiden zu prettern und zu laden
    um 1435 Bayern/GrW. III 651
  • daß dieß- und jenseits neben dem fluß ... 22 paralell marchsteine gesezet und nach den vorhandenen reiß die mittel oder territorial säulen in den auen ... gesezet sind
    1795 Strnadt,Grenzbeschr. 413
XI
Gerte als Strafinstrument, Zuchtrute; Strang aus zusammengedrehten Zweigen anstelle eines Seils am Galgen; Zweige am Rad (II) zur Kennzeichnung eines Bestraften als Straßenräuber; Baum, der als Galgen benutzt wird
  • swer mir schade an mîner vrowen, / dém wünsche ich des rîses, / dar an die diebe nement ir ende
    um 1170/90 MinnesFrühl.38 58,12
  • daz der selbe Paris / erhangen werde vf ein ris 
    um 1200 HerbortFritzlar,TrojKrieg V. 2826
  • man verteilte imz leben und sînen prîs / und daz man winden solde ein rîs, / dar an im sterben würde erkant / âne bluotege hant
    um 1210 Wolfram v. Eschenb.,Parzival X 527, 20
  • hweerso een man stelt eens ende oersla ende tredda stond, so aegh ma hym alleraerst myt risem to slaen
    1480/81 JurFris. II 192
  • [Raub] es te pungnierene metten sweerde ende confiscacie van goede, ende tlichame te stellene up een rat met taxkins van ryse, omme te tooghene dat hy straetroever was
    1515/16 Wielant,InstrCrim. 232
unter Ausschluss der Schreibform(en):
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