Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): adhramire

I Abgeleitet mit deut. Präfix at (vielleicht auch lat. ad) und lat. Endung aus afränk. schw. v. *hramjan. Das Stammwort erhalten in ahd. râmên, zielen, trachten, festmachen; nl. beramen = festsetzen. Andere Deutungen knüpfen an rammen (Grupen) oder ags. hremman, an. hremma = ergreifen (Müllenhoff) an. Ältere Versuche der Herleitung aus lat. ramus sind längst aufgegeben.
II Ursprüngliche Wortbedeutung anscheinend: auf ein Ziel hin richten, für ein Ziel festmachen, befestigen
III In der fränk. Rechtssprache bedeutet das Wort das Zusichern einer Leistung für einen bestimmten Termin.
  • 1 Die lex Salica erwähnt das adhramire bei der Spurfolge und beim Anefang in Verbindung mit der intertiatio - vgl. die Belege. Hiernach hat der Spurfolger, wenn er von seinem Rechte, die vor Ablauf von drei Nächten entdeckte Sache in Besitz zu nehmen, Gebrauch macht, der Besitzer dagegen, wenn er mangels dieser Voraussetzungen den Besitz der Sache zunächst behält, das adchramire vorzunehmen. Was damit sichergestellt wird, ist in beiden Fällen das Bringen der Sache, im zweiten Falle wohl auch das Stellen des Gewähren vor Gericht im festgesetzten Termin.
  • 2 In Urkunden und Formeln begegnet als Inhalt des adhramire mehrfach die Zusicherung, sich selbst oder einen anderen vor Gericht zu stellen. Dabei ist von einem se adhramire oder aliquem adhramire und von einem homo adhramitus die Rede:.
  • 3 Häufig wird vom adhramire einer Eidesleistung oder einem sacramentum adhramitum gesprochen.
  • 4 Auch die Erbringung eines Zeugenbeweises wird adhramiert.
  • 5 Desgleichen das Beibringen einer Urkunde.
  • 6 adhramire wird insbesondere auch von dem ausgesagt, der sich für einen andern verbürgt.
  • 7 Das Wort drückt stets rechtsgeschäftliche Haftungsübernahme für geschuldete künftige Leistung, jedoch anscheinend nicht notwendig eine bestimmte Art von Haftungsübernahme aus. Es ist nicht, wie Sohm annimmt, identisch mit fidem facere.
    • -- Doch kann das adhramire in einem Treugelübde bestehen. So wohl stets, wenn es auf Grund eines Urteils erfolgt und somit ein Urteilserfüllungsgelübde bedeutet. Auf eine mit Stabreichung oder Stabwurf vollzogene Wadiation (Wette), die mit Treueinsatz verbunden sein kann, aber nicht muß, weisen die in manchen oben angeführten Stellen begegnenden Zusätze per suam festucam vel sua festuca jactante. Vgl. noch:
    • -- Für Bürgschaftsübernahme durch Empfang (nicht Hingabe) eines wadium wird das Wort in Urk. v. 692 gebraucht. Wettvertrag, möglicherweise aber auch reale Pfandsetzung können die Wendungen per wadium a. oder wadium a. in der LCham. bezeichnen. - In einigen Handschriften lautet die Überschrift des von der Affatomie handelnden Tit. 46 LSal. de adramire (Hessels-Kern Cod. 4), de achramire (Cod. 6), De adhramire (Var. Cod. 6) oder de adframire (Cod. 10). Ebenso in einer Handschrift die Überschrift des Tit. 49 LRib. de agramire (LRib.(Sohm) 207, Hs. A 3). Vermutlich liegt nur irrtümliche Verwechslung der Schreiber, nicht späterer Bedeutungswechsel vor.
IV Ganz im Sinne des adhramire wird im 13. Jahrh. im wallonischen Sprachgebiet das einfache raemir in der Wendung raemir warant für die Zusicherung der Stellung eines Gewährsmannes in einem späteren Gerichtstermin gebraucht.
  • -- Ebenso in der ersten Hälfte des 14. Jahrh. in der Bretagne enramir für das rechtsförmliche Zusichern eines gerichtlichen Zweikampfes und einer Eidesleistung.
  • -- Daberkow, adhramire und die germanische framea/ZDPhil. 49 (1923) 229ff. übersetzt sacramentum adhramire mit "Eid staben"