Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): genießen

genießen


I innehaben, besitzen

I 1
I 1 a Güter, Ansprüche, Nutzen daraus
  • er hat daz gut also lange, unsz er sin mer geniuzzet danne ez im ste
    1275/87 Schwsp.(R.) LR. Art. 149
  • das daz gut ... lehen wäre ... von graven A., von dem si ez gevertegot hant fúr ain vriges aigen, daz si dez geniessen soltint
    1295 SalemUB. II 181
  • schol ich nichtes mit dem urbar und mit der gulte ... ze schaffen haben noch ir nichtes geniezen 
    1311 MCastellana 111
  • das zehendelin mit allen den rehten also ez der H. ... het gehebet, besessen und genossen, dem ... herrn J. ufgeben
    1342 BergheimUB. 33
  • wem acker umb gelt ... geeygent ist, und der genewczzet, der sal als lange beyten, bis man sy lozen mak
    vor 1360 IglauOberhof 69
  • scollen sie des houes genyten wat sie moghen
    1371 HalleSchB. I 299
  • vergihen ... vmb diu hůb ..., als si der D. von vns ze lehen ... genossen hat
    1384 Indersdorf I 128 (nr. 307)
  • der gutere und zcinse ... gebruchen und gniszen 
    1413 MittOsterland 12 (1891) 54
  • wil he des gudes geneten 
    1424 JbOldenb. 17 (1909) 26
  • daß unser arms gotzhus seiner güter, zinse und gülte, daß es von alten her gehept und genosst hatt, beraupt ... solt werden
    1439 Schöpflin,AlsDipl. II 362
  • wer des gotzhaus ... grunt gneusst und darauf pawt
    1452 NÖsterr./ÖW. VIII 14
  • solhs guts alle iar geniessen 200 guldein
    1454 WienCopeyBuch 38
  • die frawe soll des leypgedinges geniesszen 
    15. Jh. ArnstadtStR. 32
  • dat sy des lyffgewyns hoff ind heren hevet, dat sal sy genyeten 
    15. Jh. DortmStat. 287
  • geniessen in schatzung und in bussen und in mangerlay geniess
    um 1500 QFReichenau II 10
  • der, so der hofmarch mit wänndln ... geneüsst 
    1520 BairGO. Tit. 1, 13
  • den influß und runse uß der Yllen ... besitzlichen genossen 
    1531 SchlettstStR. 199
  • [das Pfand] nach pfandes recht geniessen ..., solange bis ... die fruchte die schuld ablegen
    1541 König,Proz. 125v
  • soll C. desselben ganges ... zu genießen haben
    1570 RigaErbb. 385
  • sall er 40 huben mit bosen gewissen genissen 
    1578 Nostitz,Haushaltb. 171
  • wer da öeden hüet ..., geneüst er der, billich auch gibt er der
    1599 NÖsterr./ÖW. VIII 1065
  • zollen ..., dessen sie allein zu genießen, angeordnet
    1600 Rigafahrer 232
  • mag der kaufer das guot geniessen ein jahr lang
    1615 Graubünden/GraubdnRQ. IV 195
  • wir ... haben uns ... vorbehalten ... aller unserer undertanen ... zins, renten, gülten ... wie von denenselben solche bishero besessen und genossen worden
    1650 MannhGBl. 16 (1915) 111
  • ein befreiten wochenmarkt ... geniessen 
    1678 NÖsterr./ÖW. VIII 263
  • das vihe ... blieb dem gottshauß T. eigen, aber interim genoß das gottshaus W. die milch und butter
    17. Jh. FreibDiözArch. 6 (1871) 80
-- häufig in Formeln
  • die ... graefschupp ... in lehnswis inhaben und besitzen, nutzen, sich dess alles beruhlich gebrauchen und genussen 
    1495 OstfriesUB. II 447
  • nach ireem besten nucz unnd fromenn zu ewigenn gezceitten ... geniessenn unnd gebrauchen
    1511 QuedlinbUB. II 106
  • nutzbarkeit ... jarlichs haben, empfinden, und geniesen 
    1624 SPantaleonUrb. 510
  • dass ... ingehebt, genutzt vnd genossene ... gehilz
    1696 Indersdorf II 355 (nr. 2240)
  • die pruggen ... hat H. ... sambt dem zaun ... wegen genießender 2 flecken in der Öhrlau zu machen [von denen er den Nutzen hat]
    1729 Tirol/ÖW. II 278
I 1 b Erbe
  • dat dit hus ... min erve is unde in mine were komen is, als ek des to rechte gheneten scal
    1. Hälfte 14. Jh. GoslarStat. 26
  • es ist ein offenbar recht, der wil mit genissen, der sal och mitte geldenn
    1546 Wasserschleben,SuccO. 141
  • hat jede schwester von dessen nachgelassenen stammgütern die helfte ... zu geniessen 
    1577 BremRitterR. 10
  • sollen der mutter kleider ... unter den töchtern ... genossen und getheilt werden
    1740 Mohr,GS. 73
I 1 c Einkünfte aus einem Amt
  • bede zentschöpfen hat ieder jerlich zu empfahen und zu genießen ... ein acker, brenholz
    1575 WürzbZ. I 1 S. 84
  • soll der richter vom siegelgelt zweitheil ... genieszen 
    1578 Engelke,GogerichtDesum 76
  • ist dem ... prediger der akher ... gegeben zu genüessen 
    1614 MHungJurHist. V 2 S. 139
  • [soll sie] bey ihrem in partem salarii genossenen neu jahr geldern gelassen ... werden
    1724 MittKönigsberg 2 (1910) 206
  • der richter eine gmeinwisen genüesset bei dem dorf
    1756 Westungarn/ÖW. VII 1043
-- Amt
  • dass keiner, so ... in einer gmeind ... sich einkauffen wurde, solle fähig sein, einigerlei ämpter in unsern ... landen zu geniessen 
    1718 Graubünden/ChurBund. 294
I 1 d Anteil an der Gemeindenutzung
  • es söllent ... seldner weder wunn, waid noch almende niessen 
    um 1500 RottweilStR. Art. 373
  • mitburger, ... die wald, wasser und waid mit inen genössen 
    1512 Bruchsal 925
  • die houffbünden, so ein burger zů gniesen hat
    1638 ZürichOffn. I 246
  • sollen die ledige töchter nur für ein khue der almend und begrasung geniessen 
    1700 JaunLR. 47
I 2 teilhaben

I 2 a am Gewinn aus einem Verbrechen
  • heft he selschop ghehat myt den, de dat lowent von der bleke stelen unde heft dar af ghenaten allent, wes he heft ghestalen. des heft he bekant, dat hir af heft ghenaten H. unde butendorpesche
    1465 KielVarb. 54
  • hebben eynen dot geslagen ... das heth hy ok meth genaten 
    1482 ZerbstFemb. 31
I 2 b am Ertrag eines Bergwerks
  • wer der si, der zu dem perg wandelt mit treiben oder mit tragen und des perges gemezzen [lies aber: geniezzen] wil, er sei lantman oder gast, der sol ... recht nemen vor unserm perchrichter
    1342 GasteinBO. 181
  • die älter gruben die wahl hat zufahren auff welche seiten sie wolle ... daselbst hin mag sie fahren, als lang sie es mit einen stollen weiß zu geniessen 
    1553 FerdBO. Art. 29
II
II 1 a Schutz, Friede genießen
  • kain ... mordbrenner ... kaines friedes, freiung, geleittes ... nicht geniessen söllen
    1374 BairFreibf. 27
  • kunde wy unsers heren des kuniges daran genieten, edder ewer, das uns darumb ein wandel von em oder von den synen wedderfüre, des nemen wy gerne
    1400 Fidicin IV 76
  • enscholde des vredes unde velecheyd nicht gneten 
    1409 GöttingenUB. II 17
  • so sy ... vnsers schyrms genussen 
    1487 Indersdorf II 145 (nr. 1454)
  • mach de bewisen, dat he baven 10 iare sunder ansprake hyr vorkeret heft, de schal syner roweliken besittinge geneten unde vurder ansprake anich bliven
    1497 HambStR. 186
  • beschuttinge geneten 
    nach 1510 BrschwChr. III 98
  • roͤver schoͤlen nuͤmmermehr fredes geneten, dewyle se nemande frede laten
    1593 JütLow.3 II 6 § 7
II 1 b
Vorteile aus Rechten, Verträgen genießen
  • swer dez půchs geniezzen well, der sol sein auch engelten
    BairLR.(Schlosser/Schwab) Art. 246
  • we der stat rechtes ghenüt, de scal der stat rechtes ghebruken
    1. Hälfte 14. Jh. GoslarStat. 77
  • hoffrechts geneten 
    1363 GrW. III 152
  • ist die hantvesten gerecht, er genewsset isr
    um 1400 IglauStR. 237
  • vordrogen sek de jodden mit deme rade, alss dat or gesinde ... boven 20 gulden nicht schal rike wesen, de der vordracht twisscen deme rade unde one geneiten schullen
    1441 HildeshUB. IV nr. 419
  • der borgerschap ... gheneten 
    15. Jh. GöttingenStR. 180
  • geneten alle der exception unde voͤrvelle, dar voͤr van gesecht is
    1593 JütLow.3 II 80 § 4
  • weil er der kürchendiener freiheiten genüßet 
    1667 PurgstallSchulm. 129
  • der mensch wird, in so fern er gewisse rechte in der bürgerlichen gesellschaft genießt, eine person genannt
    1794 PreußALR. I 1 § 1
  • adeliche freyheit ... geniessen 
    oJ. Wuttke,Städteb. 98
-- Zahlungstermin
  • synes dages schal he geneten 
    1270 HambStR. 34
  • derselben fraihait mag der schuldner nicht geniessen 
    1528 ZeigerLRb. 311
-- Vorteil vom niedrigen Preis haben
  • dair ... ennige verwinnenn vann schuldenn ende achterstedige pachten tott behoeff der creditorenn ... vercofft wordenn, sullenn die koeperenn die schuldenn ende achterstedige pachtenn inbehaldenn, ende aen die koipspennongen genietenn 
    16. Jh. NijmegenStR. 133
II 2 von jemandem Hilfe erhalten
  • cumit di tac vuri unde inis he nicht ein bisezzin man, so sal he dis richteris gnizi 
    um 1230 MühlhsnRb. 154
  • hauͤen vor der gestadet das der hobetman dem cleger hat vth sinem hobe genomen sine goyder vnde dar orer hulffe, na dem he sich recht vff se erboden hat, nicht geneysen mochte
    1381 MittOsterland 3 (1853) 515
  • genot guder frunde, de vor one arbeydeden
    nach 1510 BrschwChr. III 36
  • wird die wunde nicht tödtlich erkannt, so mag er bürgen genissen 
    1536/44 HannovStKdg. 222
III im gerichtlichen Prozeß

III 1 das Gericht anrufen
  • kain kind ... mag verspilen noch verfechten sein ... erb. ob er facht, so mag im der richter umb das wandl abziehen, auch der leutgeb oder der spiler mugen im abziehen hinz an di niderwat; burgen si im aber verrer und walten eins rechtens geniessen, so spricht mon in mit recht ledig
    1452 NÖsterr./ÖW. VIII 12
III 2 das Recht haben, jemanden vor Gericht zu fordern
  • wolt er sein nicht tun, so sol sein der antwurter vor den rechten geniessen wider zu ainer raitung
    1424 LandshutStR. 199
III 3 a Vorteil der Anwesenheit genießen, vor Gericht gehört zu werden
  • mach he dat tugen ..., dat syn dach nicht ne komen si, synes dages schal he geneten 
    1270 HambStR. 34
  • kumpt he, deweile dat gerichte sitt, heft he it to geneten,kumpt nicht, he vorlust kost und teringe
    vor 1531 RügenLR. Kap. 9 § 6
  • BreslStR. 73
III 3 b Rechtsspruch erhalten
  • daz yetweder tail sich halten solt zw dem nachsten rechten ..., wez er geniessn wold, vnd daz solt ein vnuerzogen entrecht sein
    1415 Indersdorf I 175 (nr. 447)
III 3 c
  • sune geneten unde nicht untgelden
    1408 OstfriesUB. I 178
III 4 Beweise, Zeugen vorbringen; sich dadurch rechtfertigen, seine Ansprüche durchsetzen
  • mac er in uberkomen selb dritte daz ez anders si, des sol er geniezzen 
    1275/87 Schwsp.(R.) LR. Art. 292
  • mag er daz bereden mit sinen zwain vingern, des sol er geniezzen gen dem vogte unde gen dem clager
    1276 AugsbStR. Art. 48 Nachtr. 2
  • mag der antwurter das darnach pringen also recht ist, mit zwain erbern mannen, das er das ros ... lenger gehabt hab, denn der chlager do gicht, daz es im geraubt sei, dez geniez an seinen rechten
    1350 WienStRb. Art. 75
  • ez mugen ... unser herren von W. und och wir kuntschafft ... zu dem rechten fúrziehnen und daruff ze baider site geniessen, wez sy und wir dez getruwen ze geniessen
    1389 EßlingenUB. II 294
  • genust er sines geweren, ab er den gehabin mag
    Ende 14. Jh. GlWeichb. 437
  • wedre me lüte hat, der sol des geniessen 
    14. Jh. LeutkirchStR. 72
  • kan her volkomen mit der schepphin buche, daz her is om gegebin had vor daz gelt ..., her genuzt sin mogelich
    1427 MagdebSchSpr.(Friese) 358
  • gezügniss ... im rechten ... geniessen 
    1435 ArchSchweizG. 3 (1844) 304
  • mochte se dat bewisen ..., des mogen se geneten 
    1443 BremLGProt. 18
  • wurde er ... unschuldig erfunden, daz in des unser gnediger herr ... liess geniessen 
    1458 WienCopeyBuch 98
  • alles wat de kleger sik uplecht to bewisende, des genut he, it were denne, de beklagede hedde statlikern bewis
    vor 1531 RügenLR. Kap. 29 § 1
-- Gegensatz entgelten 
  • swo chind ... ungetailt sind ... und daz eltist ... recht sůcht, daz si elliu antrift ..., swaz daz behabt, dez sùllen si auch geniezzen, swaz ez dar an verlust hiet, dez sùllen sie auch engelten
    BairLR.(Schlosser/Schwab) Art. 117
  • möghen D's erven mit rechte wat weder den bref spreken, dat se des ghenyten, moghen se nicht, dat se des entgelden
    1363 BremUB. III 173
  • der die besserenn khuntschafft hab, daz derselb si geniess vnnd sie der ander engelt
    1404 AppenzLB. 1409 89
  • wer gerecht ist, der geniest es, wer ungerecht ist, der entgelt deß
    1413 NÖsterr./ÖW. XI 181
  • das sein der anclager genyß und der diep enntgelt
    1485 NürnbHGO. 539
  • hat er ... redleich gevarn, der sol des geniezzen, hat er unredleich gevarn, des sol er entgelten
    oJ. MünchenStR.(Auer) 296
III 5 genießen und entgelten Urteilsspruch hinnehmen, ohne Rücksicht darauf, ob er Vorteil oder Nachteil bringt
  • wu he de deghedinghe utsecghe, des wille A. gheneten unde entghelden
    1406 HildeshUB. III 123
  • hegt der zentgreve solich zentgericht ... auch aller der wegen, die des gerichts zu genyßen und zu entgelten haben
    1527 WürzbZ. I 1 S. 218
  • schall yder dingesmann syn speer op synen kluen dal un syn angesicht vör dit hegede recht strecket hebben, unde dat recht mit uns geneten un entgelten in dem gantzen haopen, wyle dat de leve sunne schynet
    1649 Seestern-Pauly 8
  • lewte, die sich mit rechte begreyffen in holunge unde wandell, die sullen genyssen des rechten vnde entgelten vnde sich an die hirschaft dorobir nicht beruffen
    oJ. DanzigWillk.(Simson) 27
IV
  • die ... demjenigen, so sich ruͤhmet, eine wohlverhaltene weibs-person fleischlichen genossen zu haben, ... außgesetzte straff, nemlich abschneidung von der zungen
    1707 SudetenHGO. Art. 19 § 46
unter Ausschluss der Schreibform(en):
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