Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): 2Gewisse(n)/2gewissen

2Gewisse(n)

im Ahd.
I
I 1 Wissen, Kenntnis, Einverständnis
  • der wirt, der ein seim haus let spilen mit gewissen, der geit diu selben puozze
    um 1315 MünchenStR.(Dirr) 247
  • welch werrer einen man zu tode slet also scheinberlich, das di gewissen dabei ist des vogtes und der geswornen leute in der stat, di das auf iren eit turren zenemen, den totslac sol man richten nach gewissen
    1325 CDMorav. VII Suppl. Abt. III nr. 231
  • des heft de silve man vor jn bekant ... dat dat mit sinen willen were sien unde mit sime ghewete 
    1333 StendalUrt. 25
  • mit zwain erbern mannen zuo im, die im helfent swern, daz in wars gewizzen sey und dopei gewesen sein, daz er im daz gelt vergolten ... hab
    1340 MünchenStR.(Dirr) 310
  • der verkauft einen acker vnd betrog von dem wert dez ackerz mit dem gewissen seinz weibez
    2. Hälfte 14. Jh. CTepl. Bot. 5, 2
  • der richter sol richten nach klage und antwort und nicht nach gewissen 
    1400 Böhlau,NC. 66
I 2 Einsicht, Erkenntnis (insbesondere beim Rechtsspruch)
  • an wellich sy das ziehent, die süllen es ... verhören und ir gewissen daran sagen
    1322 BairFreibf. 10
  • da musten alle erbforster und zeidler ... von newem sweren iglichs herren und des forsts recht zu melden und auch zu urteilen nach irer gewissen und bester verstentnuss
    1348 (Hs.) HohenloheRB. 324
  • das sy [Bürger] ... ain genant ungelt und gabe seczen und das selb ... nauch irr furnuftigkait und gewizzen an der egenanten stat schulde, nucz und notturft wenden
    1360 AugsbChr. I 158
  • es mag auch ein ietzleicher unversprochner purger zu Pettau in unserm statgericht da selbs ein recht ertailen nach seiner gewissen 
    1376 PettauStR. Art. 21
  • [die das gemain, umb das chrieg ist, beschawen, die sullen sagen, was] sy recht dunkt oder sy ir gewissen weyset
    1410 MBoica XVIII 302
  • auff eins yeden übeltätter ... missetat ... allein durch ains yeden rechtsprechers gewissen an ainicherlai aufgesatzter oder klarer ausgedruckten gesatzt darüber erkannt
    1499 TirolHGO. 131
  • darin zu urteilen, soweit gewissen und verstand reicht
    1542 ArchKulturg. 6 (1908) 29
  • so erfinden wir auch in unser gewissny nit bessers und sprechen auch das zum rechten uf unser eyde
    oJ. HeilbronnUB. I 186
I 3 Bewußtsein, Überzeugung (in Bezug auf Rechtmäßigkeit eines Besitzes; bona fides)
  • hat das [varnde gut] ein man in siner gewer driu jar ane rehte widersprache bi dem der bi im in dem lande ist unde seit im sin gewizzen, daz er reht hat, so hat er ez mit rehte; seit aber im sin gewizzen, daz er niht reht da zu hat, swie lange er ez danne hat, so hat er ez mit unrehte
    1275/87 Schwsp.(R.) LR. Art. 51
  • das er und sin vordern ... haben ob ... viertzig jaren und lenger mit guter gewissne und zimlichem ingang sölliche oberkaitt geübt
    1482 FürstenbUB. VII 158
  • wer uß fromder seiden ... gewant wircket ... und tut er das mit gewissen, das ers dafur hette das die bereitschaft sein wer, so hat er recht bewert
    15. Jh. Schwsp./WSB. 73 (1873) 80
  • [es soll jemand] 40 huben mit bosen gewissen genissen, doruber er keine verschreibung hatt
    1578 Nostitz,Haushaltb. 171
  • erstlich erfordert die verjarung ein gut gewüssen 
    BernGS. 1615 Bl. 114
  • 1709 Mutach 52
I 4 wie neuhochdeutsch
  • ez stunde zu seinen trewen, zu tun und zu lazen nach seiner gewizzen 
    14. Jh. Iglau/Loersch-Schröder 191
  • wir haben bei dem gute getan und gearbeit gleichirweis als vor und daz neme wir uf unser gewizzen 
    14. Jh. Magdeburg/LSchrP. 182
  • der ... sprach daz hues den brudern czu uff syne pristerschaft und gewissen 
    1410 FreibergUB. I 383
  • wär ... daz sy daz versawmbten ... daz haben wir geseczt auf ir ... gewissen, also daz sy das vor got ... an dem jüngsten tag vnd gericht verantwurtten sullen
    1411 Indersdorf I 168 (nr. 430)
  • so dunket mich bei meyme eyde unde gewissen, das ewer gnade forder keynen zouseher noch ammechtman nicht setzen dorffe
    1442 FreibergUB. II 85
  • das geloben wyr ... bey vnsern guthenn waren trewen vnd bey vnsern pristerlichenn gewiszen 
    1458 MittOsterland 2 (1845/48) 94
  • die ... steuer von allem weyn, den sie in diesen funff jaren ausgeschenkt bey irem christlichen gewissen erlegen
    1560 Krause,LstMeckl. 113
  • hat jemand gut bey sich, darüber er ihme gewissen macht, das mag er in seinem todtbette wol widerum anweisen in sein erbe
    1586 LübStR. I 10 § 4
  • ich sag bei meiner gewissen, das mier das furwar kunt und wissen ist
    16. Jh. ÖW. IX 727
  • so seynd dieselbe von gewissens und deß gemeinen bestens wegen, die ... warheit ... zu entdecken ... zuerinnern
    1707 SudetenHGO. Art. 3 § 12
  • welchen schaden ich nach meinem gutten gewissen und vermög dieses aydts, auff eine summa pr.n.n. schätze
    1707 SudetenHGO. Art. 5 § 7, 2
II
Bezeugung

II 1 Zeugenaussage
  • ist es aber über dreu phunt, so sagent die genanten, ist es hinder drin phunden, so sag ein isleich piderman sein gewizzen 
    um 1300 WienStRb. Art. 6
  • der [ziuch] mag mit recht dez selben tages sein gewissen sagen, ob er wil
    um 1315 MünchenStR.(Dirr) 255
  • hat er ziugen, di anheim sint, di sol man im auf den naechsten tag bedwingen auf daz recht, daz si ir gewizzen sagen
    1328 Ruprecht(Kn.) 106
  • der clager ist selbdritt, die muessen iedlischer aynen aydt schwören vnd nach dem aydt sein gewissen sagen
    1350 SteirLl. Art. 3
  • so sol der christen zu der sag gestellt werden ... und soll dann sagen sein gewissen auf den aid
    oJ. LandshutStR. 198
II 2 mit Gewissen vor Zeugen
  • so schol man das phant verchaufen mit der gewizzen 
    um 1300 WienStRb. Art. 141
  • sol der gelaubiger das haus ... dem schuldiger anpieten mit dem gewissen, das ist vor czwen schepffen oder genanten oder vor dem rat
    1390 Prag(Rößler) 74
  • das in dem pfarrhoff daselbs freiung ist umb erber sach unz an den dritten tag. tritt er dann drei tritt herfür mit einer gewissen und chumpt hinwider in, so hat er aber als lang freiung
    1414 NÖsterr./ÖW. XI 198
  • 1521 NÖsterr./ÖW. VIII 156
  • wan dieselbigen 14 tag auskument, so soll man denselben, der dem richter sein gerechtigkeit geben hat, derselbigen pfant geweltig machen mit ainer gewissen der vierer
    1573 NÖsterr./ÖW. VII 841
  • ob ... ain fleischhacker ain schwein kauft ... und wär inwendig nit schön, so soll er dasselbig fleisch mit einer gewissen beschauen lassen
    1573 NÖsterr./ÖW. VII 846
-- ohne Zeugen
  • daß dieselben fleischhacker kein schaff unter der gemain viech ungemerklich nit treiben noch an ain gewissen daraus nit fachen
    18. Jh. NÖsterr./ÖW. VIII 287
II 3 Zeugnis, Beweis
  • daß alle schef, dy an der Saltzach aufgeent, sullen wann hintz Halle geen vnnd anderst wo nindert vnnd hat des mein herr gut gewissen 
    1285 Lori,BairBergr. 3
  • daz chain chaufman noch leitgeb chain dinck, daz czu der chirchen gehore, czu phant nem, iz sei dan mit rechter gewissen, daz nicht verstoln sei
    um 1330 BrünnRQ. 360
  • haben wir ... mit rate vnd rechter gewissen mit hanntgeben trewen gelobt und versprochen
    1347 Indersdorf I 302 (nr. 746)
  • ist aber, das her silber, das us dem gange kumen ist, mit der gewissen prenget und das her der erste finder des gevildes ist
    1347 Zycha,BöhmBgr. II 299
  • spricht ein mensch das ander an vmb ain anerstorbens erb ... vnd wil das bewären mit guter gewissen als recht ist
    1350 SteirLl. Art. 83
  • die ... pfleger schullen ... niemantz keinen teil geben von aller pet, die sie in irr kirchen erpiten sunder sie schullen es getreulichen mit gewizzen an der kirchen nutz legen
    1398 GeöArch. I 2 S. 37
  • di prieff ... di vber den ... czyns gegeben sein, wurden vorsigilt mit ewer stat grossrem anhangendem yngesigil, das ewer hochste gewissen ist
    um 1400 IglauOberhof 215
  • ich ... vnd alle meyn erbin haben czu merer sicherheit vnd besserm bekentnisse auch meyn insigel mit gutem gewissen vor aller meyner erbin vnd nochkomen ansprach gehangen an den gegenwerktigen briff
    1425 MittOsterland 5 (1862) 241
II 4 gerichtliches Beweisverfahren, insbesondere Siebenerzeugnis
  • swer den andern veindlichen haim suchet, wirt er des uberredet mit siben geziugen oder mit der gewissen er sol in der aeht sin
    1256 Bairischer Landfriede/Rockinger,Dm. 41
  • swer einen edelen man feintlich heimsuochet, wirt er des uberret mit zwein oder mit der gwizzen, der sol in der aeht sin
    1281 MGConst. III 270
  • swaz man mit einer rechten gewizzen erzeugen wil, do schüllen ze recht umb sagen süben erber man. daz haizzt denn ein gewizzen und waz auch die denn sagent pei irm aid, daz schol man in gelauben und schol darnach richten
    um 1300 WienStRb. Art. 117 (S. 112) [vgl. Zallinger, Landschädl. 99ff.]
  • des sol in B. vberzugen mit der richtere buoch oder selbe sibende mit der gewizzen
    1324 WürzbRatsb. 58
  • ob sich also ain kauf zuetrug, ... dabei ... der kaufer oder hingeber in laugen steen wolt, der möcht uber die gewissen nit schwern, sunder solher kauf soll bei creften beleiben
    1533 NÖsterr./ÖW. VIII 234
  • MGConst. IV 1220
III den Eid zuschieben
  • wil H. ... mit seinem eide ... beteuern, dass sein gemut und meinung nicht gewest, [dass F.] solle ohn volle antwort durch nein oder ja zu seiner schult tun, zu seinen eigen gewissen geschuldigt, und dordurch sich seiner beweisung nicht verziehen habe, so kommt er billich und mit mehren rechten zu seiner bedingeten beweisung
    1480 FreibergBUrt. I 97
  • den beklagten auf seine gewissen nach sechsischem rechte ... beschuldigen
    1541 König,Proz. 19
  • wo der cleger dem beclagten die clage in seine gewissen stelt ... so mus ... der beclagte seine gewissen oeffnen oder mag den eid dem cleger wieder anheim schieben
    1541 König,Proz. 74
  • 1550 OlmützGO. 4
  • who der kleger dem beklagten in die gewissen (das ist auf seinen eidt) nicht stellet
    1550 OlmützGO. 9
  • im fall der noth wollen sie die beclagten eigen gewissen zeugen lassen
    1552 BrandenbSchSt. I 266
  • zu notturft seines furhabenden rechten ihme das gewissen beschuldige
    1553 Braunschweig/Pufendorf IV app. 136
  • der kleger mag in seiner klage der gezeugen abegehen, ob er deren hette vnd den beklagten auff seine gewissen schueldigen
    1561 Rotschitz Bl. 22
  • ehe dann die gewehr bestalt ist, hat der kläger frey ... den beklagten auf sein gewieszen zu beschuldigen
    16. Jh. BreslStR. 60
IV
was sicher erwiesen ist
  • chömt iemant mit ichtew für, das ain gewissen ist und das er püssen sol, das sol geschehen mit recht und der genantten und des rates rat
    SalzbStR. 1368 S. 109
V Ruf, Leumund
  • man mag ainem czeugen glauben, der da ist eins guten gebissen und eins guten lobs
    vor 1307? Tomaschek,Trient 140
unter Ausschluss der Schreibform(en):
unter Ausschluss der Schreibform(en):

2gewissen


I bekannt, bewußt
  • der richter vreit seu [die Zeugen], daz si sagen pei ieren treun und pei ier sel, waz in gewissen sei
    um 1330 BrünnRQ. 391
  • swenne der klaeger als manigen gehaben mocht ... den die klag kunt und gewissen ist ... so soll man den kleger richten gegen den gevangen, als der statt recht ist
    1341 Biberach 184
  • daz kain morder, der einen moertlichen und verlichen mort begangen hat und daz kuentlich und gewizzen ist dem merern teil rats und der schepfen
    1347 MGConst. VIII 360
  • ich sag auf mein aid, das mir war gewissen ist, das N. ... lanndt vnd lewt schedlich ist mit dewpe als ver das man zu recht von jm richten sol
    1366 Zallinger,Landschädl. 123
  • im sei nicht gewissen ob er im schuldigk sei dann ein last heringe
    oJ. Iglau/Jelinek 317
II zuverlässig, sicher
  • des hetten die ... leut ir gewissen kuntschaft
    oJ. SchwäbWB. III 634
III wissend, verständig
  • ditz buch ist gewizenen luten ... gut vor zelesenne
    oJ. SchwäbWB. III 634
  • Lexer I 994
unter Ausschluss der Schreibform(en):
unter Ausschluss der Schreibform(en):