Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Kampf

A Zweikampf als sogenanntes gegenseitiges Ordal. In vorchristlicher Zeit (besonders im germanischen Rechtsbereich, aber auch dem römisch-hellenistischen Kulturkreis nicht unbekannt; Nottarp) findet sich der Zweikampf ursprünglich als streitentscheidendes, urteilersetzendes Institut neben dem Prozeß; mit dem Sieg beweist der Stärkere sein besseres Recht (Fehr); der Zweikampf gewinnt dann aber zunehmend die Bedeutung eines in den Prozeß eingeführten Beweisverfahrens (v. Amira; Nottarp; v. Cram); er wird nach der Christianisierung der einzelnen germanischen Stämme - teils von der Kirche gebilligt und mit kirchlichem Ritual ausgestattet, teils gegen den Widerstand der Kirche - unter andere von der Kirche anerkannte Ordale (in den Quellen bezeichnet als judicium Dei, ordal, ordel, urteil) in den Rechtsbrauch aufgenommen
    I der Zweikampf bildet sich im Verlauf des Mittelalters allmählich vom kirchlichen Ritual lösend zu einem weitverbreiteten, wenn auch nicht überall zugelassenen Rechtsinstitut mit eigenen Verfahrensregeln aus; er dient insb. der Eides-, Urteils- und Urkundenschelte und beim Fehlen von Eides-, helfern oder Zeugen der klagenden und begklagten Partei als Beweismittel zur Feststellung des Tatbestandes oder der Schuld
    • 1 Verfahrensvorschriften
      • a allgemeine Voraussetzungen für Zulassung und Durchführung eines Kampfes durch die Prozeßpartei
        • α kampfwürdige Delikte oder offenkundige Tatsachen, die darauf hinweisen; Fehlen von Zeugen
        • β Ebenbürtigkeit der Kampfgenossen 
        • γ Gerichtsgenossenschaft: wer Fremder und nicht Gerichtsgenosse (I) ist, kann die Kampfklage nicht erheben; auch darf die Ladung nicht an ein auswärtiges unzuständiges Gericht erfolgen
        • δ Hinterlegung des Kampfschatzes und Bürgschaft
        • ε bestimmtes Alter
      • b allgemeine Voraussetzungen für die Verweigerung eines Kampfes
        • α Unebenbürtigkeit einer Partei; Ungenosse 
        • β bestimmtes Alter
        • γ bei Magschaft 
        • δ bei Ladung zur unrechten Zeit; nach Mittag
      • c besondere Voraussetzungen für die Durchführung oder Verweigerung eines Kampfs durch Parteien
        • α Einhaltung einer Frist
        • β Bestellung oder Nichtbestellung eines Vormunds oder sonstigen Stellvertreters (Lohnkämpfer, Vorfechter); Stellvertretung allgemein
          • -- für Körperbehinderte
          • -- bei Rechtlosigkeit oder unechter Geburt
          • -- für eine Frau 
          • -- für einen Geistlichen
      • d Arten der Herausforderung zum gerichtlichen Zweikampf
        • α ansprechen, bereden, grüßen
        • β antworten
        • γ auffordern
        • δ fangen (durch Handauflegen oder Festhalten des Beklagten)
        • ε (aus)heischen
        • ζ laden
        • η teidingen
        • θ verloben und geloben 
      • e Folgen
        • α die Kampfniederlage einer Partei
        • β des Nichterscheinens (Scheinkampf)
      • f äußerer Ablauf und Begleitumstände
        • α Waffen (Schwert, Kolben, Stab, Schild, Messer, Spieß) und Kleidung
        • β Kampfplatz (Licht- und Schattenverteilung), Zeugen, Helfer und Friedegebot
    • 2 Zweikampf zwischen Dieb und Anstifter zur Klärung der Schuldfrage
    • 3 besondere Arten des Kampfes
      • a Frau gegen einen Mann (Kampfwaffe Stock und Stein)
      • b mit geistlichen Kampfgenossen 
      • c gegen oder für einen Toten
      • d gegen ein Haus
    • 4 Zweikampf nach einer Urteilsschelte oder Schelte des Zeugeneids
      • a Zwischenverfahren zwischen Scheltendem und Urteiler
      • b Kampf zwischen gescholtenem Zeugen und dem von der Gegenpartei aufgestellten Zeugen
    II unter dem Einfluß der (fränkischen) Kirche und zunehmend seit dem Einsetzen der Landfriedensgesetzgebung im Hochmittelalter eingeschränkt und aus dem Gerichtsgebrauch verdrängt, wird der Kampf zu Ausgang des Mittelalters fast überall verboten und selbst die Aufforderung zum Kampf unter strenge Strafe gestellt (der zum Kampf Herausfordernde wird als Friedbrecher, der Kämpfer als Mörder und der Kampf als Sünde oder Verbrechen betrachtet)
    III Übergang vom Zweikampf an jedem Gericht an ein sogenanntes Kampfgericht (III); Zuständigkeit privilegierter Fürsten und Städte; anfänglich Kampfaustrag um des Beweises willen, zunehmend aber rückt der Ehrbegriff in den Mittelpunkt, so daß Austrag Genugtuung für Ehrverletzung wird; "Gericht" ist nur noch Schirmer
B Zweikampf außerhalb des Gerichtsverfahrens
    I unter Streitparteien frei vereinbartes oder schiedsrichterlich auferlegtes Beweismittel bei rechtlichen Streitigkeiten oder bei Ehrenhändeln; von der Obrigkeit (Stadt oder Territorium) wie Landfriedensbruch verfolgt, von der Kirche als Sünde bekämpft, auch dort, wo ursprünglich gerichtlicher Zweikampf zugelassen war; geht unscharf über in Kampf (B II) 
    II heimlicher Waffengang (mit tödlichen Waffen) besonders zum Austrag von Ehrensachen; terminologisch vornehmlich als "Duell" oder "Zweikampf" belegt; seit dem Erlöschen der Kampfgerichte (wohl im Gefolge des Ewigen Landfriedens 1495 und des Tridentinums 1545/63) tritt diese Art der bewaffneten Auseinandersetzung, deren Wurzel im Zweikampf vor dem Kampfgericht (III) und dem außergerichtlichen Zweikampf zu suchen ist, auf und wird (beginnend mit den überwiegend lateinischen Duellmandaten) als Zweikampfverbrechen verfolgt; nicht ganz scharf zu trennen von Kampf (B I) 
    III Fehde als Austrag von Ehrenhändeln oder rechtlichen Streitigkeiten der Ritterschaft und des Adels; von der Obrigkeit ebenfalls verboten im Gefolge der Landfriedensgesetze
C Turnier; im Rittertum Kampf nicht zur Durchsetzung einer vom Gegner in Frage gestellten Sache, sondern Kampf als Selbstbestätigung oder zum Beweis der Ritterwürdigkeit
D Schlacht (volcwîc), auch Einzelkampf der Heerführer stellvertretend für das Heer; daneben Einzelkampf im Rahmen einer Schlacht oder Belagerung
E offener Zweikampf (mit ritterlichen Waffen und Pferden)
F auf andere Lebensbereiche übertragen; in der sprachlichen Wendung werden Bilder aus dem gerichtlichen Zweikampf oder aus dem Turnier- und Fechtschulwesen entnommen; besonders in der spätmittelalterlichen Dichtung wird die Terminologie der Fechtbücher häufig ohne Abwandlung übernommen
    I Kampf als Auseinandersetzung des guten mit dem bösen Prinzip (sittlich-religiös) oder Verteidigung des Guten gegen das Böse; Christentum gegen das Heidentum, Christus für die Christenheit
    II für geistliche Disputation
    III Sängerwettstreit
    IV Kampf von Tieren oder mit Tieren gegeneinander
    • 1 Kampf der Tiere gegeneinander in der Tiererzählung
    • 2 aus dem Sagenbereich (Kampf mit Lindwurm und Löwen)
    V Todeskampf
G in der politischen, staats- und gesellschaftswissenschaftlichen Literatur des beginnenden 19. Jahrhunderts