Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Kanzleikollegium

Kanzleikollegium

Gesamtheit der höheren Kanzleibedienten einer Kanzlei; häufig auch ein aus Kanzleiräten (I) der landesherrlichen Kanzlei (A III) gebildeter Beratungs- und Beschlußkörper mit (weiter oder enger) begrenzter sachlicher Zuständigkeit aus dem der Kanzlei als Regierungsbehörde obliegenden Aufgabenbereich; meist kurz Rat oder Kollegium, mitunter Kanzleirat (II) genannt
Sachhinweis: Elsaeßer,Kanzlei. 84-101; Bischoff,Kanzlei. II; ArchUFrk. 68 (1929) 57

I in deutschen Territorien

I 1 zum Begriff; allgemein
  • [Übschr.:] von denen verschiedenen gattungen der cantzleycollegiorum 
    1750 Moser,Kanzlei 22 [vgl. ebd. vor allem 22-25, 93-99]
  • vermischte bemerkungen in beziehung auf kanzleikollegien und kanzleipersonen. Nuͤrnberg 1781 [Titel eines Buchs von Carl Friedr. Elsaeßer]
    1783 Elsaeßer,Kanzlei. 18
  • die kanzleikollegien sind entweder hauptkollegien oder deputationen. hauptdeputationen sind solche kollegien, welchen ein ganzes generisches hauptfach von geschaͤften ... uͤberlassen ist, z.e. das kriegs- finanz- justizwesen ... deputationen bestehen aus einer zusammensezung von raͤten, um ein bestimtes detailfach von geschaͤften zu besorgen
    1783 Elsaeßer,Kanzlei. 84 [vgl. ebd. 84-91]
  • [Übschr.:] verhaͤltniß des consistoriums zu andern kanzleikollegien, besonders der regierung
    1798 Hartmann,WürtGes. IV 20
I 2 Zuständigkeit und Geschäftsführung
  • daß so wol von denen zeitigen advocatis fisci, und dessen anwaͤlden, als auch andern fuͤr hiesigen churfuͤrstl. cantzleycollegio litigirenden partheyen nicht allein die in ihren fuͤr demselben rechthaͤngigen sachen ergangene original-acta ihnen zu extradiren verlanget, selbe auch wol ..., und so gar des collegii ohnwissend, von denen actuariis abgefolget ... worden
    1708 CCLuneb. II 1 S. 382
  • dass durch anordnung einer geheimen deputation das canzleikollegium zertheilet und ausser stand gesetzet werde, die nöthige abtheilungen in justizsachen zu halten, so aber zum misstrost vieler armen partheien geraichete
    1745 Fellner-Kretschmayr III 23
  • alle rechtssachen in dem canzleicollegio mit gröster aufmerksamkeit überleget ... werden
    1745 Fellner-Kretschmayr III 506
  • in der dritten claß [der 1749 in Hanau errichteten staats- und cantzleyacademie] ... wird gezeigt, wie bey einem wohlgeordneten cantzley-collegio alle daselbst vorkommende sachen verhandelt und expediret werden
    1749 Moser,NachrichtStaatsAkad. 20
  • was ... in einer cantzley oder cantzley-collegii nahmen ausgehet, wird ... auch von solcher cantzley und collegio unterschriben
    1750 Moser,Kanzlei 279
  • wann die canzley-collegia mit einander in streit gerathen, wie weit sich eines oder des anderen collegii gerechtsamen erstrecken oder nicht, dependiret es ordentlicher weise allein von dem landesherrn, darinn einen ausschlag zu geben
    1772 Moser,Landeshoheit I 50
I 3 Organisation
  • das canzleikollegium ... in acht räthen bestanden, woraus ... unter dem praesidio des hofcanzlers und hofvicecanzlers zwei förmige senatus ganz füglich formiret werden kunten
    1745 Fellner-Kretschmayr III 498
  • ist das canzlei collegium beständig mit sieben oder acht räthen besezet
    1745 Fellner-Kretschmayr III 500
  • ordentlicher weise hat ein jedes cantzley-collegium seinen praesidenten ..., zuweilen ... der aͤlteste oder vorsitzende rath dessen stelle versiehet
    1750 Moser,Kanzlei 93
  • manche cantzley-collegia ... haben zweyerley oder auch noch mehrere baͤncke
    1750 Moser,Kanzlei 133
  • die wuͤrtembergische landschafft klagte ... daß die canzley-collegia allzusehr uͤbersezt wuͤrden
    1772 Moser,Landeshoheit I 109
  • es ist eine allgemeine regel, daß alle landbeamte denen canzley-collegiis subordiniret seynd
    1772 Moser,Landeshoheit I 161
  • die art und weise, wie kanzleikollegien bestelt und die kanzleigeschaͤfte betrieben werden, ist nach der verschiedenheit der groͤsse, einkuͤnfte, aufklaͤrung und regierungsform der laͤnder aͤusserst verschieden
    1783 Elsaeßer,Kanzlei. 27
  • die kanzleikollegien sind teils sich untereinander untergeordnet, teils nur von dem fuͤrsten allein ausschliesungsweise abhaͤngig, und koͤnte daher die einleitung [= Einteilung] in mittelbare und unmittelbare kanzleikollegien stat finden
    1783 Elsaeßer,Kanzlei. 30 [vgl. ebd. 30f.]
  • es giebt orte, wo der erste minister zugleich chef von allen kanzleikollegien ist
    1783 Elsaeßer,Kanzlei. 44 Anm. 14
  • der praͤsident ... [ist] der chef eines kanzelleycollegii. [dazu Anm. *:] an einigen orten ist der erste minister zugleich chef von allen kanzelleycollegiis 
    1785 Krünitz,Enzykl. 34 S. 511
  • kanzleicollegien und balleyen mit personen der evangelisch-lutherischen religion zu besezen
    1792 Hartmann,WürtGes. II 699 [vgl. ebd. 3]
II als deutsche Bezeichnung für die Gesamtheit der Kanzleibedienten der päpstlichen Kanzlei (A I) 
III bezüglich Schweden und Dänemark
  • 1720 Lünig,TheatrCerem. II 1631
  • 1757 Fladt,Registratur. 104 Anm. c
  • das canzley-collegium [daͤn. canzley zu Coppenhagen] ... konnte der koͤnig damals [nach 1660] nicht gleich in die form bringen, in der er dasselbe zu haben wuͤnschte ... der koͤnig suchte ... von zeit zu zeit gute, fleissige subjecte ..., um daraus das collegium ... zu versehen
    GöttingenMag. 2 (1793) 322
  • war woͤchentlich zweymal canzleycollegium ... es wurde berathschlagt, ob die sache bewilligt werden koͤnnte oder nicht. ward ein fiat beschlossen, so trug man nicht nur diesen kollegialischen schluß ins protocol ein, sondern entwarf ihn auch auf einem besonderen bogen, den das ganze collegium unterschrieb; und es ging ..., wenn eine parthie beysammen war, zum koͤnig zur unterschrift. waren einige der raͤthe verschiedener meynung, so trug man auch dieses ins protocol ein, und dieß wurde besonders unterschrieben. wenn der koͤnig bey der vorlegung zur unterschrift die sache billigte, so gieng alles den ordentlichen weiteren gang; fand er ... etwas dagegen zu erinnern, so wies ers entweder geradezu ab oder nahm er die sache vor das geheime conseil. manche suppliken wies das collegium selbst ... ab, ohne erst an den koͤnig zu referiren
    GöttingenMag. 2 (1793) 327
unter Ausschluss der Schreibform(en):