Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Kerbe

Kerbe

, vorwiegend f.

mhd. kerbe, mnd. kerve, carve, mnl. kerve, frühnhd. kerbe 
zu kerben

I Einschnitt und davon abgeleitete Bedeutung

I 1 auf einem Grenzpfahl
  • von dem mit no. 10 bezeichneten scheidepfahl im N. ... soll die scheidung weiter auf den andern ... bey einer kleinen eychen gesetzten ... mit einer kerbe gezeichneten scheidepfahl sich erstrecken
    1661 CCHolsat. III 534
I 2
I 2 a in einem Kerbholz beziehungsweise -stock als Merkzeichen und gleichzeitige Verrechnungseinheit
  • wan we ... de helfte des tegeden wederkoft hebben ..., so scol men de drittegeden kerven to tegeden geven
    1359 WolfenbüttelLHArch.
  • anticopa ... eyn kerve vppe holt; eyn warteken der betalinge
    1417 DiefenbNovGl. 28
  • euil de rad nicht, dat me kerve maken late von des rades wegen oder schrifte in taverne vor bere edder von wine sunder was me so haben lete, dar schal me dat rede gelt vor geven
    1448 HildeshUB. IV 566
  • kerven diemen van biere ende brode maket
    2. Hälfte 15. Jh. MnlWB. III 1395
  • werden dergleichen kerb-hoͤlzer auf dem lande ... mit den froͤhnern gehalten ... haben sie ihre dienste voͤllig verrichtet, so schneidet man, gleichsam an statt der quittung, die kerben auf den zusammen gelegten zwey theilen glatt und gleich aus
    1786 Krünitz,Enzykl. 37 S. 3
I 2 b in Hessen besonders der Einschnitt auf dem Hirtenstab (I) zur Feststellung der Anzahl des Herdenviehs
  • ein gut mit vier kerben [dh. vier Ochsen]
    oJ. Hessen/ZVk. 2 (1892) 54
  • der schullehrer hat eine kerbe frei
    oJ. Hessen/ZVk. 2 (1892) 55
I 3 in einem Kerbzettel, insbesondere in Schlettstadt zum Nachweis des unentschuldigten Fernbleibens eines Schuldners vor Gericht
  • 1503 SchlettstStR. 642f. [s. unter kerben III]
  • 1503 SchlettstStR. 645
  • so einer einem burger für gericht, es sei um zins oder schulden, fürgebieten, aber der schuldner in den zweien ersten gerichtstagen nit erscheinen und ungehorsam ausbleiben würde, so schaden ihme dieselben zwen gerichtstag nichts. bleibt er aber das dritt gericht auch aus, ... soll man ime die erste kerb thuen, die ime aber auch nichts schaden soll. würd aber der schuldner inwendig des vierten gerichts den cleger nit vermögen ..., so soll ime die ander kerb gethon werden
    1554 SchlettstStR. 651
  • 1571 SchlettstStR. 657f.
  • 1758 Estor,RGel. II 366
I 4
in den Riegelbaum eines Tors zum Zeichen der Ladung vor das Femgericht 
  • wer is, af her us eyme slosse wonte, daz man syner ane grosse sorge ... nicht bekommen kunde, so mogen die scheppen, die in heischen wollin, ... vor dasselbige sloß ryten ... und uß deme reynebome, zingelen adir regilen dry kerbin hauwen und einen konighes pfennig darin steken und die stuke, die sie vß den kerbin houwen, zu zeugkenisse behalden vnd deß namen, den sie heischen, vff ein zedilen verzeichent beschriben in die kerbin stegken
    1408 Westfalen/RAbsch. I 106
  • 1428 Lindner,Veme 213
  • 1437 Königsthal I 2 S. 129
  • 1825 Wigand,Femg. 510
I 5 als Kontrollzeichen beim Eichen 
  • wenn die faß geicht werden, die kerffen, darin die messer gesteckt sind, gegen einander abzeln, umb das sich erfind, glich und recht geicht sin, und die ich uff die fass schniden
    1500 Bruchsal 885
I 6 in den Niederlanden (Anteil an) Maggeld, wie Kerb (I 5) 
  • waer't, dat eenich van hoeren maegen doitslach of leemte dede ..., die en soude synen mage ... niet meer maichghelts of moegen panden dan van elcken eersten lede van eenen dootslaghe vyf scellingen ende van eente leemte derdhalven schellinck, als hy van synen mage een kerve hadde of met rechte van den bailju een kerve gewonnen hadde
    1377 ZRG.2 Germ. 3 (1882) 81
  • 1380 ZRG.2 Germ. 3 (1882) 85
  • 1415 WestfriesStR. I 34
  • 1427 WestfriesStR. I 47
  • dat hijs onsculdich is ende dat hy hem niet sculdich en is enige kerve te geven
    15./16. Jh. LeidenRbr. 157
  • dat onsen bailly geen kerve en sal geven van vredebrucke ofte andere quade onredelijcke saecken
    oJ. MnlWB. III 1397
I 7 übertragen: Rechnungseinheit für die Steuer beziehungsweise die Bestimmung derselben, wie Kerb (I 6) 
vgl. Kerbgeld
  • statutiones, quae plebeia lingua kervae vocantur, super quoslibet sancto Petro attinens non agat
    1070 ChartPierreGand I 100
  • zo waer dat onser poorteren goet gheleghen is binnen juwen lande, dat en sel gheen onghelt ghelden dan binnen onser vrihede van A., zonder allene in beswoore kerve 
    1. Hälfte 15. Jh. MnlWB. III 1397
  • 1514 MnlWB. VIII 1897
  • die buͤrger zu Wien befreiet ... 1237 Friedrich II. von der kerbe oder bede
    1669 Hüllmann,FinG. 138
II wie Kerb (II) seltenere Bezeichnung für Kerbholz und -stock 
  • K.D. hat beclat H.S., vor daz sie sine kerbe hetten, da sie an kerbeden, daz sie ime gab, da sie rechnen soldein. da breche er sine kerbe und wurffe sie enweg. daz schade ir 20 gulden
    1375 Ingelheim/v.Künßberg,RechtlVk. 142
  • die dry rede sin ubirkommen, daz alle die, die win schencken odir sust win in iren husen ... umb gelt oder uff kerben geben wollen, die sollen die win zuvornt lassin anmachen und ir ungelt vur voll davon geben
    1401 FrankfAmtsUrk. 368
  • 1407 FrankfAmtsUrk. 415 Anm. 1
  • 1411 Erler,Ingelh. II 199
  • 1415 Erler,Ingelh. II 257
  • sollen die, die das salz keuffen, das gelt, das der stat gebort ..., unverczugelich uff die kisten antworten und der keuffer und verkeuffer auch ire kerben von beiden syten von stont mydebrengen und by iren eiden behalden und sprechen, das sie recht angekerbt haben
    um 1425 FrankfAmtsUrk. 266
  • kerve vel rekenstok
    1445 Schiller-Lübben II 456
  • haben beide gebeden das gericht, das is soliche gut dem becker abesnide von siner kerben und C.R. zusniden an sine kerbe
    1453 Loersch,Ingelh. 353
  • 1461 HeilbronnUB. II 65
  • sollen nu forter me die vier sigeler, die off der gezauwe sigeln, ire kerben haben und einen iglichen in sonderheit sin duche an sin kerben snyden, so er ime sine duche sigelt
    1465 FrankfZftUrk. II 204
  • soll ein paumeister bestellen, das die zimmergesellen an der stat arbeit ein kerben haben, doran sie die schnit schneiden, so oft sie schleifen lassen. desgleichen soll der schleiffer auch ein kerben haben dergleichen, doran man solich schnit schneidt
    um 1470 Tucher,NürnbBaumeisterb. 112
  • 6 lb. 11 ß haint die gefangen ... an broder verziert noch lude den kerben 
    1489 Bingen/ZKulturg. 4 (1897) 453
  • wohl 1498 FrankfZftUrk. II 109
  • wohl 1499 FrankfZftUrk. II 154
  • 2. Hälfte 15. Jh. FrankfZftUrk. II 295
  • 1501 Frankfurt am Main/Diefenb.-Wülcker 694
  • der küchenmeister verkeuft jherlich die drester vff der keltern mit botten, sal der kelner mit dem keuffer eyn kerbe machen vnd darane, wievhiel ihme worden sey, schnyden vnd dem küchenmeister solchs liebern
    um 1520 Michelsen,MainzErfurt 36
  • wollen wir, das das ubermessig unpillich außleihen, als schuldt uff kerben, umb halb geldt zu kauffen ... hinfurther ... vermitten pleiben
    1528 Amorbach 234
  • 1538 BadW. 59 Anm. 1
  • zu U. seind alle ire guter an kerfe geschnitten und darf man nit unterschidlich item machen dan in einer sum
    1538 BadW. 61 Anm. 2
  • 1564 SiebbMunC. 74
  • soll nach dem austreschenn vf diese kerbenn ... abgerechnett ... werdenn
    1574 HessSamml. I 431
  • 1574 Kurpfalz/Sehling,EvKO. XIV 473
  • sollen die rechenmeister ire empfangene kerben den geordneten zunfftmeistern zu liefern schuldig sein, sie seyen abbezalt oder nit, auff den fünfften sontag
    wohl 1589 FrankfZftUrk. II 22
  • [sollen] zwei gleichlautende register oder kerffen verfertigt [werden]
    16. Jh. Gau-Odernheim I 124
  • die ferkeln werden jederzeit im jar, wan sie 6 wochen alt sein, verzehendet, von 10 eineß; waß aber drüber oder drunder ist, werden auf die kerb geschnitten biß wieder zum zehenden
    1610 SchriesheimW. 245
  • soll ... ein ieder heimberger sein kerb, damit man sehen moͤge, wehr außen bleibe oder nitt, fleißig halten vndt dann solche kerbe oder sonsten eine verzeichnus der bruchfaͤlligen dem kelner zuestellen
    1620 CCNass. II 56
  • 1659 BadW. 225
  • sollen uͤber jeder gattung dienste kerbe gehalten ... und ... ein dienst ... jedermals darauff geschnitten ... werden
    1715 HessSamml. III 777
  • 1758 Estor,RGel. II 452
unter Ausschluss der Schreibform(en):