Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Kerze

Kerze

, f.

früh entlehnt aus lat. charta zu ahd. kerza, charza, mhd. kerze, mnd. u. mnl. kerse, an. kerti 
Sachhinweis: Wohlhaupter,Kerze passim; HRG.1 II 703-707

I als Gegenstand von Stiftungen und Abgaben und in städtischen Übermaßverboten
  • sol man daz wahs legen an die kerze, die man het zefronalter
    1276 Säckingen/CorpAltdtOrUrk. I 290
  • statuo, ut dimidia marca annui census conparetur ad conficiendum cereos, qui gewudene kerzen nuncupantur
    1297 FrankfUB.(Lau) I 360
  • man sol auch niht kertzen auf di greber setzen denne [ze] sibenden unde ze dreisigisten unde ze jargezeiten
    13./14. Jh. NürnbPolO. 67
  • wir willin me, dat zu keiner lich me dan vunf kerzen sin, eine di man offere unde vere standen, ieclich von zwein punden wazes
    um 1330 Koblenz/ZRG.2 Germ. 59 (1939) 182
  • wieuil vnnd schwaͤr die kertzenn vff den begreptten gemacht werdenn ... soͤllent ...
    1524 BernStR. I 250
  • wer den zeenden enpfacht, der sol wüßen, daß er pflichtig ist zů geben 2 vrt. korn voruß und vorab an die kertzen sant Urbens
    1562 ZürichOffn. I 75
  • das niemantz der wun und waid des gotshaus geprauchen oder messen sol, es sei dan zu der gemainen landssteur mit des gotshaus leuten, oder verzins die mit kerzen järlich zu dem altar unser lieben frawen
    oJ. Bayern/GrW. VI 193
II als (Anerkennungs-)Gabe an geistl. und weltl. Personen
  • von Rôme keiser hêre ... ir hânt iuwer kerzen kündeclichen mir gesendet
    1190/1230 WaltherVogelw. 84 V. 33
  • 1328/53 StraßbUB. IV 2 S. 195
  • so bin ich [Burggraf] ouch kamerer und schencke eines bischoves von Straszburg und habe do von zwo kertzen zů dem múnster und zů sant Thoman zwo
    1328/53 StraßbUB. IV 2 S. 276
  • zu allen liechtmess tagen ist man gebunden, kertzen ze geben in unser frowen kirchen den mannen und oberen amptlüten, als eim prelaten, den dienst mannen und mittel amptlüten als einem tumherren, den anderen belechneten und nideren amptlüten, als einem capplan
    1351? BaselDienstR. 26
  • so git der custer ieglichem ampt sin kertzen naͮch siner rodel, sag oͮch als das von alter her komen ist
    um 1400 Geschfrd. der 5 Orte 38 (1883) 39
  • das man ... yedem corherrn ein kertzen zů liechtmeßen geben ... sol
    1490 BernStR. VI 1 S. 485
  • 1717 Kramer,VolkslBamberg 89
III
beim Sendgericht als Gabe oder Symbol
  • auch solt der sendher in des pastors haus ein disch gedeckt ... finden und auf dem auch eine kerz sonder dacht
    1580 Koeniger,SendQ. 267
  • durch die brennende kerz [b. Sendgericht] wird verstanden, welcher also fur ein offener sünder erklärt und ausgeruffen, gleichwohl sich nit bessern will, von der christlichen gemeinden austhun; gleichwie ein kerz ausblasen, soll er ausgetilgt werden
    1628 Koeniger,SendQ. 30
  • was ist der klöckener oder custer alhei dem syndherrn schuldig? ... respondent: ein schwarz gebratten höen ... ein handvoll karzen, oben und unden abgeschniden
    1642 Koeniger,SendQ. 254
  • 1662 Koeniger,SendQ. 270
  • 1687 Koeniger,SendQ. 273
  • daß das juramentum oder testimonium in cereo nichts anders als ein feyerlicher eid sey, welcher bey der geweihten brennenden kerze abgeschworen worden
    1768 Dreyer,Neb. 47 Anm. e
IV als Bußwerkzeug
  • sunderlich ist dem schweren zu busze gesazt, das ir iglicher, als dicke das not geschieht, eyn kirzen sal thun machen myt drye phunt wachses und die kirzen am sonntag, als man zu der pharre zu singen ludt, von dem radhusz an tragen in die phar
    1423 Seligenstadt/GrW. I 509
  • it ensal nemen hoynsprechen yn got ... so wer dat dede, den sal man setzen yn den haltzbant ... ind sal geven tzwa kertzen tzo setzen vur uns leve vrauwe
    um 1470 SiegburgWQ. 11
  • wer in dem keller vur dem tzapen me myns neme, dan hey dem tzeper betzalt hette, den sal man setzen up eyn leyder mit tzwen byrnen[den] kertzen in sym monde drey oren am kax
    um 1470 SiegburgWQ. 15
  • sol ... vorm kritz mit einer pfundigen kertzen büßen
    um 1540 Schindler,VerbrFreib. 33
  • das der thaͤter auff den beruͤrten der bruderschafft zwey mal zu opffer gehe, ein pfuͤndige abgebrochene kertzen ... tragen und dar zu dreißig personen ... mit jhm zugehen ..., der jedes ein halb pfuͤndige kertzen tragen sol
    1567 Meichßner,Form. II 25
  • [e. Ehebrecher] wird ... dahin condemniert, das er morgen 8 bis 9 uhr wehrender predig vor die kürchen, einer rueten und schwartze brennenden kerzen in den händen habend, mit entblößten haubt und abgelegten schuehen dem volk vorgestellet
    1597 Schindler,VerbrFreib. 265
  • wenn in diser pfarr kerzen getragen werden von mannschlacht wegen
    16. Jh. Graubünden/SchweizId. III 493
  • [Ehebrecher] sollen für das erst mal vier wochen mit wasser und brott in herter gefenknuß gespeisst, dann 3 suntag nacheinander mit prünneten körzen, entplesten armen und daran habenden rueten in eisn für die kirchen gestelt werden
    um 1600 Innviertel/ÖW. XV 77
  • das der beclagdt, dem der widerruff zu erkanndt worden ..., mit entdecktem blossen haubtt und ein brende kertzen ... in der hanndt ... nieder kniehn und ... sag: die wortt unnd reden widerruffe ich
    um 1600 SAvoldStR. 103
  • wegen begangenen und bekanten ehebruchs [verurteilt,] kerze und steinen offentlich zu tragen
    1616 AachenZ. 62 (1949) 21
  • 1658 Kramer,BaBüUfrk. 94
  • 1687 Schindler,VerbrFreib. 73 Anm. 1
  • 1690 VerhOPfalz 65 (1915) 85
  • 1712 Kramer,VolkslBamberg 104
  • 1726 Strnadt,Mat. 212 [ebd.ö.]
  • um 1735 GasterLsch. 195
  • 1746 Kramer,VolkslAnsbach 150
  • 1757 Schindler,VerbrFreib. 110 Anm. 3
  • 1769 Schindler,VerbrFreib. 220 Anm. 2
  • 1774 Wagner,Civilbeamte I 170
  • 1788 Thomas,FuldPrR. I 112
V als Lichtuhr zur Fristbestimmung, insb. bei öffentl. Versteigerung und Verkauf, wo beim Erlöschen der Kerze der Zuschlag erfolgt
VI wegen der religiösen Ausrichtung des Zunftlebens spielt die Kerzenbeschaffung eine so erhebliche Rolle, daß Kerze auch übtr. - mit fließendem Übergang - die Zunft oder Zunftversammlung bezeichnen kann

VI 1
Kerzenbeschaffung usw.
  • ez sol iglicher meister zů dem leichtůech und zů den chertzen ein diu zunft geben vierundzwainzich dn
    um 1300 MünchenStR.(Dirr) 286
  • ist aber die [zu dünn gewebte] leinwat ains dieners, der sol ... sechs h. geben, und sollent dieselben ... an der knecht kerzen und in der knecht buchsen gefallen
    1346 Keutgen,Urk. 388
  • ez schuͤln auch die vorgenanten hantwerke ... kein gemaine kertzen niht enhaben noch kain gemain tuch weder zu kintaufen noch zu leichen
    um 1350 Schoenlank,NürnbGesellenw. 340 Anm. 2
  • wer sin recht haben wil, der sol geben drissig schillinge pfennige in die bůhse und ein pfunt wasses an die kerze ...
    1362 Schmoller,StraßbTucherZft. 8
  • begeret der bruder [b. Tod von Frau oder Kind] die kyrtzen ..., das sal man ym lyhen zu der begencknyße
    um 1400 FrankfZftUrk. II 258
  • Mitte 15. Jh. Keutgen,Urk. 303
  • 1474 KahlaUB. 108
  • wan wir zusamen gefordert werden zu dem hantwerk ..., welcher aussen bleibt on redeliche ursache, der sol dem hantwerk verfallen sein 15 ₰ an die kertzen 
    1475 WürzbPol. 157
  • sollent die vier vierer, die zů den ziten gekosen sint, uf die kertzen warten zů den fronvasten messen
    1477 StraßbZftO. 83
  • wer inn der saltzhacken innunge komen wil, der sol geben ... zwey pfundt wachs zu den kertzen 
    1482 Leipzig/Schmitt,NhdSchriftspr. 368
  • 1482 Leipzig/Schmitt,NhdSchriftspr. 369
  • 1490 WürzbPol. 200
  • 1495 OstfriesUB. II 435
  • welche handtwergk, wyewol sie in ander brüderschaften gehorend ..., sollen ... alle jar furohin an obgemelt kertzen bezalen ain weyß pfennyng
    1506 HeilbronnUB. III 141
VI 2 übertragen als Bezeichnung der Zunft oder ihres für die Kerzenbeschaffung zuständigen Glieds
  • wann sie [Schlosserknechte] uf yeden sontag noch yeder fronfastengebot habent von jr kertzen wegen, so sollent sie das jrs antwercks meister verkünden
    1484 StraßbZftO. 443
  • [sollen] die kertzenmeister ... ir remanet von stundt darlegen und bezalen, das keiner der kertzen schuldig blibt
    1499 Bruchsal 873
  • wer ... anderswo gelernt hat und alhir meister werden wil, sal ... beweisen, das her in einer stadt, do man kerzen und innunge hildet, gelernt habe
    1507 KahlaUB. 111
  • sie [die Gewerbe] theilen sich in 13 zuͤnfte, welche von ihrer in der pfarrkirche mit dem zunftschilde fuͤr feyerliche umgaͤnge aufgestellten wachskerze kerzen ... genannt werden
    1791/1822 J.N.v. Raiser, Urkundliche Geschichte der Stadt Lauingen an der Donau (Augsburg, 1822) 7 Anm. 8
VI 3 übtr. als Bezeichnung der Zunftversammlung
  • wenne daz were, daz daz antwercke kertzen machen wolte uf der stuben ..., so süllent sie zeren bescheidenlich
    1377 StraßbZftO. 449
  • zween handwergsmeister ..., die dem handwergke und ihren kaertzen vorstehen
    1442 Haltaus 1067
unter Ausschluss der Schreibform(en):
unter Ausschluss der Schreibform(en):