Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Kind

Kind

, n.


I Bezeichnung für einen Menschen innerhalb seiner ersten Altersstufe, die (meist) von der Geburt an bis zu einem rechtlich unterschiedlich festgelegten Zeitpunkt gerechnet wird und innerhalb derer man nicht in vollem Umfang am Rechtsleben teilnimmt, jedoch einen besonderen strafrechtlichen Schutz genießt
II
Bezeichnung für die Nachkommen eines Elternpaares

II 1 im engeren Sinn als Bezeichnung eines Nachkommen der ersten Generation ohne Beschränkung auf eine bestimmte Altersstufe

II 1 a Kind aus einer od. mehreren Ehen, elterl. Gewalt
  • swe wif to echte nimt unwetene, de he to echte nicht hebben ne mut, unde kindere bi er wint, werden se seder gesceden mit rechte, it ne scadet den kinderen to erme rechte nicht, de er der scedinge geboren sin, noch deme, dat de muder dreget
    1224/35 Ssp.(Eckh.2)LR. III 27 § 1
  • um 1230 MühlhsnRb.2 138f.
  • de ersten kindere scholden besitten mit erme deele unde de lateren kindere scholen hebben al dat andere gut eres vader unde erer moder
    1270 HambStR. 15
  • um 1275 Schwsp.(L.) LR. Art. 161 [= S. 77]
  • unde ist, daz ein man sin kint verkovffet durch ehafte not, daz tvͦt er wol mit rehte
    um 1275 Schwsp.(L.) LR. Art. 357
  • um 1300 RigaStR. 170-175
  • um 1300 RüstringerR. 44
  • stirbet einem vater sein chint und hât er im guot aus gegeben ... und hât er weder chint noch weip, der vater erbet des sunes guot
    1328 Ruprecht(Claußen) 184
  • vor 1350 GoslarStR. 42
  • vor 1350 GoslarStR. 45
  • daz ist keyserrechten, unde czweyget sich mit lantrechte unde wichbilde, wen in unseme rechte erbet der vater alle sin gud uf alle sine kindere, uff dy ersten, unde uf dy mittelsten, unde uf dy leczten, dy yme rechten ome ebenbortigk sinth
    nach 1358 Rb.n.Dist. I 24 Dist. 4
  • wen he syn kint monneken welde, dat scolde he don mit witschup des sittenden rades
    1397 GoslarStR. 192
  • dy erste [gebort] heischit eyn fry eliche gebord und ist, wan eyn kint elich wirt geborn von vater und von muter, die beide sint elich zcusammenekommen
    Ende 14. Jh. EisenachRB.(Rondi) 34
  • dar eyn man sin egene kind vele bode unde vorkopen wolde den joden bynnen unser stat, dat os witlik were, over den lethe we richten unde lethen one setten op eyn rath
    2. Hälfte 14. Jh. GoslarStR. 210
  • 2. Hälfte 14. Jh. SteirLl. 171
  • de kint, de ane zweyůnge van vater vnde van můter geboren sin, daz sint rechte swestere ...
    um 1410 Harzgerode/Schwsp.(Kurzform/Gr.) 47
  • kinder sint twierlei, natuerlic ind echt
    1417 CleveStR./ZRG. 9 (1870) 442
  • die nuwen kinde ... daz alt kint
    um 1453 Erler,NeustadtWeinstr. I 26
  • 1455 PössneckSchSpr. I 27
  • seine ... ersten vnnd allten kind 
    1493 Nürtingen/Fischer,Erbf. II 234
  • echte rechte und naturlike kindere 
    1497 RigaErbb. 152
  • 2. Hälfte 15. Jh. PössneckSchSpr. I 142
  • in vnserem gewalt sind vnsere kinder, die wir vß rechten brutlauffen erboren haben
    1520 Murner,Inst. 9r
  • kynder beyder bedh
    1521 LübRatsurt. II 440
  • so der alten ehegemecht ains abgeet ..., so nemen die alten kinder das erbgut an und die andere kinder die varende haab
    1552 WürtLändlRQ. II 25
  • 1572 BrandenbSchSt. IV 37
  • das das woͤrtlin kinder in seinem eignen natürlichen teütsch vnd bedeutnuß kindskinder nit in sich begreifft, besonder allein die, die von einem vatter durch sein ehlich haußfrauwen geboren seind
    1574 Frey,Pract. 605
  • die erste erbfolgung gebürt den natürlichen ehelichen kindern, aus einem ehebette geborn
    1579 WittgensteinLR. 101
  • kind von einem band werdend genembt, die geschwistert sind allein vatterhalb oder allein mutterhalb
    1611 FreiburgÜMun. III Art. 390
  • alte und khünfftige junge kinder ... gleiche geschwisterigt sein unnd gehalten werden
    1633 Arnold,Eßlingen 192
  • zusamengebrachte kindere 
    1749 ZofingenStR. 431
  • 1794 PreußALR. I 1 §§ 40f.
  • ein kind, welches bis zum dreyhundert zweyten tage nach dem tode des ehemannes geboren worden, wird für das eheliche kind desselben geachtet
    1794 PreußALR. II 2 § 19
  • 1794 PreußALR. II 2 § 74
  • BadLR. 1809 Satz 203
II 1 b
legitimiertes Kind 
  • Mitte 14. Jh. MagdebBresl. 167
  • Ende 14. Jh. EisenachRB.(Rondi) 36
  • es haut ain man lediglichen kinde by ainer froͤwen, der sye luͤtzel oder vil, und nympt er die selben froͤwen ze rechter e, die kind sint zehande rechte ekind alß wol, alß die sie hernach gewinnet ...
    1462 Schwsp./ZRG.2 Germ. 25 (1904) 159
  • es werden aber vnder die zahl der ehelichen kindere von rechts wegen gerechnet auch diejenigen, welche, ob sie wol im ehestandt von jren eltern nit entpfangen vnn geboren, sonder volgends erst durch derselben offentliche eheliche vermaͤhelung seynt geehlicht worden
    FrankfRef. 1578 V 1 § 4
  • die so durch gewalt unnd macht des fürsten ehelich gemacht worden seindt, mögenn nit abtreiben; dann dieselben werdenn allein bürgerliche unnd nit natürliche kindere geachtet
    1579 WittgensteinLR. 113
  • 1611 FreiburgÜMun. III Art. 410
  • kinder, die sie miteinander erzeugt hetten, oder rechtgemachte kinder
    FrkLGO. 1618 III 4 § 6
  • 1712 Arnold,Eßlingen 216
  • 1713 TrierLR. 607
  • 1713 TrierLR. 668
  • 1731 KurpfSamml. IV 600
  • 1745 Hartmann,WürtGes. III 229
  • die aus unehelichem beyschlafe erzeugten kinder erhalten in allen fällen, wo der mutter die rechte einer würklichen ehefrau des schwängerers beygelegt worden, die rechte der aus einer vollgültigen ehe erzeugten kinder
    1794 PreußALR. II 2 § 592
II 1 c Kind aus einer Ehe zur linken Hand
II 1 d angenommenes Kind 
II 1 e Kind aus unehelicher oder unehrlicher Geburt
  • swen dat wif erst man nimt, wint se kint er er rechten tit, dat dat kint leven moge, men mach it bescelden an sime rechte, went it to vro geboren is
    1224/35 Ssp.(Eckh.2)LR. I 36 § 1
  • swe so enes mannes wif behuret openbare, oder wif oder maget nodeget, nimt he se dar na to echte, echt kint ne wint he nimmer bi er
    1224/35 Ssp.(Eckh.2)LR. I 37
  • nimt en enne gaden to echte unde he vor enne anderen gaden heft, de lateren kinder, de se to samene winnet, sin alle onechte kindere
    vor 1350 GoslarStR. 48
  • vor 1350 GoslarStR. 69
  • 1. Hälfte 14. Jh.? AugsbStR. Art. 75 Nachtr.
  • nach 1358 Rb.n.Dist. I 5 Dist. 3ff.
  • nach 1358 Rb.n.Dist. I 24 Dist. 3
  • dy sybinde gebord heissit eyn kebiz adir vorworffene gebort und ist, wo eyn elich man mit eyme bosen, gemeynen wybe kinder gewinnet adir eyn jude by eyner cristen; di kint sin alliz rechtin vorlegit, ab man des beredin mag
    Ende 14. Jh. EisenachRB.(Rondi) 38
  • 14. Jh. EmsigerR. 96
  • eyn vnelich man vnd seyn vneliche kindir sullen nicht habin hoel vnd wandil gleyche deme, der do elich geborin ist
    14. Jh.? Böhme,DiplBeitr. II 2 S. 134
  • gewinnet en man eyn kint wnnechtliken, der pabes beerbet iz wol vnde ouch der keyser
    um 1410 Harzgerode/Schwsp.(Kurzform/Gr.) 72
  • ther ne mey nen moder nene vnafte kinder tya to hir ayn god, huente thi feider faken vnwis is
    Mitte 15. Jh. EmsigerR. 228
  • 1463 HagenauStatB. 211 [Unterhaltspflicht des durch Eid d. Mutter überführten Schwängerers]
  • von ledigen kinden, wie die erben sollen
    1520 FreiburgStR. III 8
  • vneeliche kinder, die aus verdampter vermischung vnd geburt herkommen, als durch den eebruch, oder da vater vnd muter kein ee besitzen moͤgen, die seyen weder der vaͤterlichen noch müterlichen guͤter oder derselben erbschafft vehig
    NürnbRef. 1564 XXIII 9
  • unechte kinder nha fresischem landtrechte sin erfloß und erveth dath unechte kindt nicht mehr alse der moder gudt
    1572 NordstrandLR.(nd.) 204
  • TirolLO. 1573 III 37
  • 1579 WittgensteinLR. 102
  • 1611 FreiburgÜMun. III Art. 410
  • 1658 Mevius,MecklLREntw. 704
  • 1757 RechtVerfMariaTher. 651
  • hat das kind ein alter von zehn jahren erreicht, so muß es der vater zu sich nehmen
    1785 Ledderhose,HessKR. 534
  • kinder, aus ehebruch oder blutschande gezeugt, haben [kein Erbrecht]
    BadLR. 1809 Satz 762
  • uneheliche kinder sind überhaupt von den rechten der familie und der verwandtschaft ausgeschlossen
    1811 ÖstABGB. § 105
II 1 f
Einfluß der Rechtsstellung der Eltern auf die des Kindes 
  • echte kindere ne mach de unechte man seder mer nicht gewinnen
    1224/35 Ssp.(Eckh.2)LR. I 38 § 3
  • dat echte kint unde vri behalt sines vader scilt
    1224/35 Ssp.(Eckh.2)LR. III 72
  • ist ein man sinem wibe niht eben bvrtic ... vnd ist si vri ..., gewinnet si kint, div hornt zvͦ der ergern hant
    um 1275 Schwsp.(L.) LR. Art. 67 b
  • [des neuaufgenommenen Zunftmitglieds] khindt, die er vorgehabt hat, sollen khein recht haben, die er hinnach gewindt, die haben guetter recht
    um 1300 Grünberger,PassauZünfte 26
  • um 1300 Weichb.(Dan.) III § 1
  • kchemphen und ireu chint ..., di sint ... rechtlôs
    1328 Ruprecht(Claußen) 200
  • 1333 Frankfurt am Main/Böhmer-Ficker 511
  • nint oͮch ein frier man ein gotzhus wib, so het er di friheit verlorn, und zuht du mutter du kint na ir
    1344 Schwarzwald/GrW. I 313
  • wan als de kint geboren werden, an sůlchen rechte de můter ist, in den sint ouch de kint
    um 1410 Harzgerode/Schwsp.(Kurzform/Gr.) 82
  • um 1410 Harzgerode/Schwsp.(Kurzform/Gr.) 143f.
  • eines bischofs lüte hant auch die recht, daz sy ire kint sunt und mögent gen, [so] sie went, an eigen lüten, und sullent ir kint sin aller fürsten genossen
    15. Jh.? Elsass/GrW. IV 268
  • wenn ein freier oder eine freie ein eigens verehelichet, dass ihr kinder frei sein und also der guten hand nachfallen
    1525 Leuenberger,RG. 170
  • demselbigen eigenbehörigen, so gott zwei kinder in einer geburt bescheret, soll der gutherr das letztgeborne kindt frey zu geben schuldig seyn
    Ende 16. Jh. Westfalen/GrW. III 138
  • 1750 WürtLändlRQ. III 651
  • 1768 Stern,PreußJuden III 2 S. 492
  • 1789 Kerner,RRittersch. III 177
  • 1794 PreußALR. II 8 § 22
  • 1794 PreußALR. II 9 § 11
II 2 allgemein als Bezeichnung eines Nachkommen ohne Beschränkung auf die erste Generation

II 2 a ohne nähere Kennzeichnung des Verwandtschaftsgrades
  • swelheu chint sich twischen dem nagel und dem haupt geleichen mugen an der sippe zal, deu nemment auch das erb geleich
    1328 Ruprecht(Claußen) Art. 154
  • wenne ... N. irer tochter son ist, so ist her ouch ihr kint genant in dem rechten
    1456 Bocksdorf 529
  • wann hierinnen von khinden meldung beschicht, dabei werden auch verstanden enickhl, urenickhl und ander gerad absteigent erben
    1528 ZeigerLRb. 367
  • es wird keine ehe zugelassen zwischen kindern und eltern, sie sind nahe oder ferne an einander vorwant, und wenn sie auch tausent glied von einander weren
    1557 Sachsen/Sehling,EvKO. I 1 S. 335
  • 1611 FreiburgÜMun. I Art. 145
  • 1611 FreiburgÜMun. III Art. 387
  • unter dem namen kinder [werden] alle verwandte in der absteigenden linie begriffen
    1811 ÖstABGB. § 42
II 2 b drittes, viertes Kind als Bezeichnung eines Verwandtschaftsverhältnisses im dritten beziehungsweise vierten Grad
  • ist, das die, die da rechtend, dehainen fründe in den raten oder in der gemeind sizen hand, die zu den vierten kindern oder nächer sipp sind, das die alle von demselben von dem rechten gan und bi der urtel ... nit sizen sullen
    1395 Lindau/SchrBodensee 3 (1872) 112
  • 14. Jh. LeutkirchStR. 71
  • 1472 BernRatsman. II 74
  • 1491 BruggStR. 65
  • von freundschaft in gericht, die außtretten sollend: waß von manspersohnen zue den dritten künder ist oder noch näher, die sollen außtretten
    1554 Biberach/WürtLändlRQ. III 111
  • im dritten grad oder glid, das ist zun dritten khinden 
    1574 Frey,Pract. 566
III in eingeschränkter oder übertragener Bedeutung

III 1 Bezeichnung für ein Mädchen im Unterschied zu Knaben
  • 1255 Ulr.v.Liechtenst. II 1731, 1
  • 1631 Alemannia 15 (1887) 89
  • ob den ... keller von sinem ewib ein kind wurd, so sol man im aber geben vsser dem egenanten holtz ein fůder holtz, wirt aber im ein knab, so sol im werden zwey fůder holtz
    oJ. Zürich/GrW. I 96
III 2 Bezeichnung für eine Person, die einer Gemeinschaft angehört

III 2 a Mitglied der Schiffsbesatzung
  • aver de stove, de dar is geheten der kindere stove, is it, dat se ledich is to dere tit, alse de beschene kindere pleget to drinkende, so geneten se ist to irre blitschap
    um 1250 Nowgorod/LivlUB. I 6 Sp. 17
  • de schipher ut den andern schepen sal mit synen kindern dat gut helpen bergen
    1382 HanseRez. II 307
  • eines schepes kinderen 
    1400 OstfriesUB. I 145
  • 1422 HanseRez. VII 282
  • 1447 Danzig(Hirsch) 276
  • 1482 DOrdHandelsrechn. 495f.
  • 15. Jh. Fruin,Dordrecht I 206
  • oJ. ZHambG. 44 (1958) 78 Anm. 8
III 2 b der in einer Gemeinde Geborene oder Aufgewachsene
III 3 Pflegling eines Spitals
  • [die] armen kinder [Leprosen]
    Mitte 13. Jh. Konstanz/ArchKulturg. 4 (1906) 137
  • daz wir dieselben reben lihin ... H.G. ... ze der armen veldsiechen kinden hand
    1334 ZürichUB. XI 479
  • alle dieselben armen weizen, forwarfene und ellende kinder, die itzunt doselbsten czu R. in dem spittal sein
    1411 RottweilUB. I 307
III 4 geistliches Kind Patenkind
  • gastlick sib compt fan da helliga sacrament, als dij prester deept een kynd, ende dij, deer't heuet fan da font, beyde sin ze gastlicke feders to dat kynd. ende dis slachten sint tre gongen. dij aerste twiska dyne flaeslicke ende dine gastlicke fader des kynden. ende dij gong haet faderlicheit. dij ora gong is twiska dyn fader ende dat kynd, deer dat heuet fan da fonte. di tredde gong is dyo broder licheit, ende dij gong is twiska das gastlicke kynd ende dyn flaeschelicke kynd
    1480/81 JurFris. II 98
  • die geistliche kinder, als die so zum tauff getragen ... werden
    1713 TrierLR. Tit. 20 § 13
III 5
goldenes Kind der meist in Edelmetall dargestellte St. Arnual und das ihm geweihte Stift bei Saarbrücken
  • dan nimpt der meyer zwölff hauffen vnd gibt sie eim amptmann zu K. von wegen v. gn. h. von Trier, die ander zwen hauffen dem gulden kindt 
    1535 GrW. II 30
  • 1564 GrW. II 52
III 6 überzählige Getreidegarbe, die nicht unter die Zehntpflicht fällt
  • [es sollen] die bisher zu nachtheil des zehend-herrn gesetzte endel-stiegen, freye hocken und so genante kinder ... weiter nicht geduldet ... werden
    1692 Lüneburg/SammlVerordnHannov. I 457
  • oJ. Kopp,BadZehntw. 53 Anm. 1
unter Ausschluss der Schreibform(en):