Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): leihen

leihen

, stv.

zur Etym. vgl. Kluge21 434

I jem. (idR. auf Grund eines Rechtsgeschäfts) etwas zum Gebrauch überlassen, zur Verfügung stellen, verleihen

I 1 von Sachen und Geld: meist befristet mit der Verpflichtung zur Rückgabe derselben oder einer vergleichbaren Sache und entweder unentgeltlich oder entgeltlich (tw. gegen Dienstleistungen) oder gegen Leistung einer Sicherheit (häufig in der Wendung leihen auf etwas)
  • vor 750? Beowulf(Nickel) V. 1456
  • ther man bisúorgeta tház, ioh léh thaz gádum gárauuaz
    um 868 Otfrid(Kelle) IV 9 V. 12
  • um 1180/85 Hartm.,Erec(Leitzmann)3 750
  • swe dem anderen sin varende gut liet, oder sat, oder to behaldene dut, umme besced oder ane besced, wel is eme jene dar na besaken, ... disse is it naer to behaldene selve dridde, den jene al ene dar vor to swerene
    1224/35 Ssp.(Eckh.2)LR. I 15 § 1 [ebd. I 52 § 2]
  • swat men aver eneme manne liet oder sat, dat scal he unverderft weder brengen oder gelden na sineme werde
    1224/35 Ssp.(Eckh.2)LR. III 5 § 4
  • swe deme anderen liet perd oder kleder to bescedenen dagen, halt he it over den anderen dach, unde wert he dar umme beklaget, he scal it al to hant weder geven unde beteren, of he it ergeret hevet
    1224/35 Ssp.(Eckh.2)LR. III 22 § 1
  • der meister mac vrîlîche geben oder lîhen [lat.: dare vel mutuare] etewem des hûses vrûnde hundert bisande oder ander dinc, die alsô tûre sint
    1264 DOrdStat. 98
  • swelh man dem andern ein pherit oder ein gewant oder dehein varende gůt setzet oder lihet mit sinem willen, so hat iener reht dar an, in dez gewalt ez also kvmet
    um 1275 Schwsp.(L.) LR. Art. 222
  • nv hant si [ivden] ein bezser reht erkovffet, daz hant in die kivnige gegeben wider reht, daz si lihent vffen divbig und vffen rovbig gůt. daz svln si aber tvͦn bi schœnem tage
    um 1275 Schwsp.(L.) LR. Art. 261 (S. 117)
  • ein iegelich iude sol lihen uf diu phant diu des dritten teils tiverr sint, unde sol des niht verwidern. er sol auh niht lihen uf chein blutik gewant noh uf kein nazzez gewant
    1276 AugsbStR. Art. 57 § 3
  • der sin pfenning ovf so getanen schaden leihet, der sol si verliesen
    1281 Regensburg/CorpAltdtOrUrk. I 411
  • 1290 BrandenbUrkS. I 193
  • 1290 SalemUB. II 400
  • swer ze S. uf spil lihet oder wert, der sol pfant hân, das er zien ald tregen müge. lihet er ald wert âne das, da stât enkein gerihte über
    1291 SchaffhRbf. 48
  • chauft ein man wider den andern waitz oder chorn auf ein tag also beschaidenleich, swenn der tag chöm, daz er im gelten sol, daz er enem denn als guet traid herwider geb, als er im gelichen hat
    um 1300 WienStRb. Art. 68
  • ein ußman sal sweren in dem gerichte und die richter sullent ym die heilgen lihen 
    13./14. Jh. Kohler-Koehne,Worms 45
  • so hant si uns geluwen durch liefnisse acht marc brabenz ..., die geloven wir in wider ze gevene ... innenwendich zwein iaren
    1323 DOrdenUB. I 383
  • SalzbLO. 1328 384
  • spricht ainer den andern an, er hab im sein vih gelihen umb lon, daz hab er im gement und gearbait mer wann er durch recht tuon solt, also daz er sein an seinem vih ze schaden chomen sey
    BairLR. 1346 Art. 83
  • wat emme wert ghesat oder gheleghen, vorlust he dat, dat mot he ghelden na minnen oder na sinem werde
    1. Hälfte 14. Jh. GoslarStR. 148
  • 1359 RegensbStat. 150
  • sal kein man gelt vf golt lyen adir gebin noch vf keynirleye ware, sye en sy denne do geginwertig, daz her sye sehe vnd ir gewaldig sye
    1360 BreslUB. 198
  • 1383 Schwarzwald/GrW. IV 493
  • 1389 RAbsch. I 92
  • nymand sal lihen uff meßegewand, keliche unde waz zu godis dinste gehort, odir uff ... gestolen gud odir uff geferwerte wollen odir uff bludige cleydere
    um 1395 MarburgRQ. I 122
  • ez sol chain jud chaines herren holden leichen auf ir erb ... er sol in nicht höcher leichen nûr auf schreinphant
    Ende 14. Jh. SteirLl. Art. 247
  • um 1400 Böhlau,NC. 24
  • wann ein herr ... chumbt auf die hofmarich, so sol ein ganzer hof ain bett leihen die weil er da ist
    Anf. 15. Jh. NÖsterr./ÖW. IX 826
  • nieman deheinen froͤmden luten huser noch kamern lihen sol, noch sie ... herbergen, sie habent denn der stette reht
    1431 SchlettstStR. 337
  • ob im [e. unmündigen Kind] oͮch ieman vͥtz licht, das ist man im niemer von recht gebunden zegelten
    Mitte 15. Jh. BremgartenStR. 21
  • es sol auch ainer auf den andern kain weer leihen 
    Mitte 15. Jh. NÖsterr./ÖW. VII 729
  • wer ... dem andern icht leihet, das sol er im widerumb gellten vnd bezalen zu denselben zilen vnd fristen, die jm gegeben worden sein
    NürnbRef.(1479/84) XXII 1
  • 15. Jh. Straßburg/Keutgen,Urk. 338
  • 15. Jh. SchongauStR. 72
  • die natur mutui ist, das wie das guet gelihen wirt, das ein gleichs der selben natur vnd guet widergeben sol werden
    um 1500 Summa legum 413
  • wir finden dz lyhen zwen vnderscheyd hat, am ersten, so würdt gelt, wyn, korn ... vnd anders das mit einem glychen wert wider bezalt werden mag, von handen gelyhen, vnd dz mag man nennen dz es gelyhen sye vmb barschafft. am andern begibt sich dz ein gůt fründ dem andern ein varende hab vergebenlich oder vmb gelt hinlyhet zům gepruch, also daß das selb gůt wider geantwůrt werden sol
    1520 FreiburgStR. II 1, 1
  • es soll ... kein jude keinem man allein on vorwissen seiner hausfrauen, auch keinem weibe allein on vorwissen ires mannes und on beisein unserer amtleute ... etwas leihen 
    1539 Hessen/QNPrivatR. II 2 S. 7
  • [Übschrr.:] von leyhen in gemein ... von leyhen deren ding, so mit der zahl gewicht vnd maß geliffert werden ... von leyhen anderer beweglicher ding und haab, so auch vergeblich geschicht ... von dem leyhen beweglicher guͤter, vmb ein bestimptes geldt, locatum genannt
    1571 SolmsLR. S. 1-6
  • wer der maß bedarf ... dem soll man sie leichen umbsunst
    16. Jh. NÖsterr./ÖW. VII 301
  • es soll ... verbotten sein, dem gemeinen baursmann von denen, so das feld bauen, auf die früchten auf dem feld auf den halm oder den wein an stöcken zu leihen 
    1621 Bayern/QNPrivatR. II 1 S. 481
  • 1628 PfälzW. II 599
  • einem minderjaͤhrigen ... soll man nicht leihen 
    1650 EstRitterLR. 324
  • so jemanden ... gut, das durch gebrauch nicht vergehet, auf eine bescheidene zeit und maaße, ohne einig entgelt, aus gutem willen, zu gebrauchen geliehen wird, so muß er eben dasselbe, das ihm geliehen worden ... dem hinleiher wiederum zustellen
    1650 EstRitterLR. 331
  • das eigenthumbliche leihen oder mutuum ist ein contract, da einer dem anderen eigenthumlich zubrauchen bewegliche sachen gibt, welche entweders an gewicht, maaß oder zahl gelifferet werden ... mit dem vorbehalt, daß der empfaher eben so viel in gleichem werth und guͤte dem geber auf bestimte zeit zuruck gebe
    1709 Mutach 94
  • auff vertrauen leihen oder commodatum ist ein contract, da einer dem anderen ein sach umb sonst zu gewuͤssem gebrauch uͤberlaßt, und zwar also, daß er selbige nach geendigtem gebrauch ihme widergebe
    1709 Mutach 95
  • das wort leihen, lehnen bedeutet uͤberhaupt so viel als eine sache des andern gebrauch uͤberlassen, die sache mag entweder durch den gebrauch verzehret werden, oder nicht ... das gemeine recht macht einen sorgfaͤltigen unterschied zwischen dem commodato und mutuo. jenes bestunde in einer sache, die ohne verzehret zu werden, zu gebrauchen war; dieses aber in dingen, die durch den gebrauch verzehret werden
    1762 Wiesand 694
  • sobald der leiher eigenmächtiger weise die ihm geliehene sache einem andern zum gebrauche einräumt; oder sie zu einem andern zwecke, als wozu sie ihm gegeben worden, anwendet: ist der verleiher dieselbe zurück zu fordern berechtigt
    1794 PreußALR. I 21 § 237
  • wenn jemanden eine unverbrauchbare sache bloß zum unentgeldlichen gebrauche auf eine bestimmte zeit uͤbergeben wird; so entsteht ein leihvertrag. der vertrag, wodurch man jemanden eine sache zu leihen verspricht, ohne sie zu uͤbergeben, ist zwar verbindlich, aber noch kein leihvertrag
    1811 ÖstABGB. § 971
I 1 a die nur für Württemberg belegte formelhafte Verbindung von leihen und lösen kennzeichnet das Recht des Verleihers, das Gut beim Tod des Entleihers entweder an den Erben weiterzuverleihen oder wieder an sich zu ziehen
  • 1383 uö. SchwäbWB. IV 1148
  • [K. G. verkauft] zů ainem staͤten ewigen lihenden und loͤsenden kouf ... [5 Schilling Heller] ewiges lihentz und loͤsentz zins [aus seinem Weingarten]
    1399 WürtGQ. XIII 75
  • [4 Pfund Heller] urbaͧrs lihens und loͤsentz zins
    1402 WürtGQ. XIII 971
  • [Verkauf von 1 Imi Wein] ewigs urbaͧrs lihens und loͤsens zins
    1412 WürtGQ. XIII 971
  • 1537 OAUrach2 312
  • 1591 Reyscher,Ges. XII 484
I 2
Ämter, Herrschafts- u. Nutzungsrechte, Freiheiten, eine Rechtsordnung
  • ovch hat der chunich da ze site bistum lihen da mite swelher hande phaffen er ze herren wil machen
    1060/80 GenesisM. 5
  • der chunich zoch abe der hant sin ein guldin uingerlin, er gapz im an sin hant, da mit lech er im den gewalt
    1060/80 GenesisM. 86
  • do cronete man in mit golde vnde leh ime ein lant dar
    Mitte 12. Jh. Rother(de Vries) V. 4722
  • de keiser ne mach aver in allen landen nicht sin, unde al ungerichte nicht richten to aller tit; dar umme liet he den vorsten gravescap unde den greven sculteidum
    1224/35 Ssp.(Eckh.2)LR. III 52 § 2
  • koninges ban ne mut neman lien wan de koning selven
    1224/35 Ssp.(Eckh.2)LR. III 64 § 5
  • sweliken prester vnse borgere keset dhene solen se vor vnsen herren bringen, vnde he sal ime de kerken lygen 
    1227 BrschwStR. § 54
  • wer sullen ouch nicht vnse teil des gerichtes nimande lihen noch verchoufen
    nach 1251 Kulm/CorpAltdtOrUrk. I 36
  • um 1252 OÖUB. III 193f.
  • so der man fuͥrdirbet, der vellig gůt hat, mit dien erben sol er [keller] ze houe varn mit dem valle, vnd sint si genôs, wan sol inen lihen 
    um 1259 ArgauLsch. I 656
  • der bischof, swer niu bischof wirt, hat ze rehte lidig alle des bistommes ambt, ... die ... liht er elliu, als ime unde sime gotshuse wol kumet
    um 1260 BaselDienstR. 17
  • wy don witlyk ..., dat wy williken geven unde ewichliken lyen der vorsproken stad dyt recht, als hijr nascreven steit
    1273 Salzwedel/W. Ebel, Über d. Leihegedanken in d. dt. Rechtsgeschichte, in: Vorträge u. Forschungen V (1960) 25
  • um 1275 Berth.v.Regensb. I 26, 362 u. 437f.
  • ein lay ... der gerichte enphahet von dem chunige, der leihet wol den pan einem seinem richter. vnd der richter mag in niht fuͤrpaz geleihen
    um 1275 Dsp.(Eckh.1971) LR. Art. 81 § 3
  • habe wir danne herin M. ... unde herin H. ... unde sinen brudern ... daz selbe lehen geliehen ze rehtem lehen mit einer lehenshant
    1280 WirtUB. VIII 235
  • ez sol auch der hertzog dev purgerschaft ze R. leihen, und allev dev recht, di dar zv gehoͤrnt, daz ist daz fridgericht, daz schulthaitz ambt, di prewen, di chleinen zolle, daz ist salz, eysen, chorn, und swaz chleines dinges ist, und die fvrstet
    1285 Regensburg/Lori,BairMünzr. I 12
  • wy bekennen ock, dat weme wy dat schultechtammecht lyhen von der borger wegen, dat wy denn ock denn bann sollen lyhen sonder wedderrede
    1294 MagdebUB. I 100
  • Anf. 14. Jh. BernStR. I 7
  • 1311 HHildeshUB. IV 29
  • BairLR. 1346 Art. 116
  • 1354 WürtLändlRQ. II 127
  • dasselbe gewandsnyden haben wir ... den ... gewandsnydern ... wedir gegeben ... vnd lyen is in ... zu alle dem rechte vnd nucze ... alz sie is von aldirs gehabet haben
    1369 CDSiles. VIII 62
  • sal men alle lehn, geistlike und werlike, schulen und dinst up dem radhuse ligen 
    Ende 14. Jh. BerlinStB. 33
  • die keyser liet gheestelyc vorsten leen mit den sceptre, al weerlyc vanen leen mit enen vanen
    Ende 14. Jh. NlSsp. I 107 (= LR. III 60)
  • das der richter dhain pürkrecht das zu dem marcht gehört dhainem gast leihen sol zu dem chauf
    14./15. Jh. NÖsterr./ÖW. VIII 960
  • haben ihn und ihrer statt ... ein marckhtag gelichen und gegeben
    1413 Buchau 301
  • wen ein man kombt der flichtig ist umb erbar sach, und rueft den richter darzue an, so sol im der richter düe freiung leichen 
    vor 1440 NÖsterr./ÖW. VIII 1056
  • nieman sol win schenken ..., denn dem si die täffer lichent 
    1456 Schweiz/GrW. I 84
  • 1481 OÖsterr./ÖW. XII 657
  • wurd der deup gefangen, so sol der richter dem gast leichen stockch und eisen und den deüp dem gast bebaren pütz an den dritten tag
    um 1500 NÖsterr./ÖW. VIII 196
  • nach 1505 NMittThürSächs. 21 (1901) 34
  • wir [Karl V.] wollen auch auf solchem reichstag allen staͤnden ihre hergebrachte regalia, lehen und weltlichkeiten, und was sie von dem heil. reich haben, nach gebuͤhrlichkeit ... leihen 
    1520 Moser,Reichstage I 70
  • 1628 PfälzW. II 599
I 3
die Dienstleistung einer Person
  • [Formel bei Wasserordal:] disen cristanen mennescen den lih ich dir, daz er dich vurwese zu disme gotes rechte, also du selbe soltist
    12. Jh. Form. 629
  • des herre des lehen si [Zinsleute] sint, der sol si niezzen in der weise, also si im gelihen sint
    um 1275 Dsp.(Eckh.1971) LR. Art. 75 § 2
  • 1336 ZürichStB. I 89
  • 1348 HohenloheRB. 36
  • wuͥrde oͮch eine stat der vorgenanten stette die andern manen, daz sie ir ein gesinde luͥhe zů lantwer, der sol man nit me lihen danne viertzig glefen
    1356 BaselUB. IV 207
  • wir ... gesetzit han, daz alle fursten ... virbundin sin daz vorgesprochene geleide zu lihenne eyme iegelichen kurfursten adir sime boten
    um 1360 GoldBulle 113
  • daz wir die armen luͥt ze M., die wile ... wir die ze pfand inne habin, nieman ze dienst lihen suͥllen
    1403 FürstenbUB. III 9
  • 1450 Erler,NeustadtWeinstr. I 140
  • es haben auch die herrn datz A. die robatt: von ainem lehen zu mitterfasten ain pflueg zu leihen ain ganzn tag auf den hoff
    Mitte 15. Jh. NÖsterr./ÖW. XI 354
  • 1466 Wertheim 32
  • 1488 NördlingenStR. 367
  • 1555 NÖsterr./ÖW. IX 29
II von der Person des Empfangenden aus gesehen: entleihen, borgen (I) 
  • 1346 MGConst. VIII 75
  • hette abir imandt gesaczt pfant adir geleiet dingk, was is were, vorlorn ... der mus sweren ... das her is ane seynen wissen und willen vorloren habe
    1435/54 DanzigSchB. 39
  • wer sich laust beclagnen vmb zinss, lydlon vnd gelihen gelt
    1471 Schweiz/GrW. I 226
  • lassen wir zu, daß ein nachbar gegen den andern ... zu seiner notturft seiner gütere verkaufen, versetzen oder daruff leihen möge
    1495 Carlebach,BadRG. I 103
  • xxxv marck, welche wir von yhnen yn vieler und mancherley unser notturft zu vilen sachen geliehen entpfangen oder genomen haben
    16. Jh. MansfeldKlUB. 429
unter Ausschluss der Schreibform(en):
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