DRW: leut* (Index Wortartikel)

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Leut

, sg., Leute, pl.

I Bezeichnung für die Mitglieder einer Rechtsgemeinschaft wie auch die Rechtsgemeinschaft selbst, die meist durch die gleichgeartete Beziehung zu einem Herrn oder den Rechtsgenossen konstituiert wird, besonders: die Gesamtheit der unter einem Recht lebenden und (meist ausschließlich:) rechts- und wehrfähigen Personen; die häufig auftretende Paarformel Land und Leute bezeichnet die Gesamtheit der einem Herrn zugeordneten Menschen (auch selbständiger Träger von Herrschaft) und Gebiete, Leute und Gut bezeichnet den gesamten Besitz eines Herrn; im religiösen Bereich: Gemeinschaft der Gläubigen

1 das volkssprachige leudes bezeichnet Angehörige des Reiches, das heißt freie Männer unter einem Herrscher, dann (im fränkischen Reich) höhergestellte Freie in Königsnähe, Große des Reichs (vereinzelt: ansehnliche Gefolgsleute überhaupt)
2 die Untertanen eines Herrschers (ae. u. ahd.); das Volk, die Bevölkerung, die Stammesgenossen, die Bürgerschaft, in der Paarformel Land und Leute wie Land (II 3); auch: alle in einem Gebiet lebenden Menschen
3 Lehnsleute (I)
4 Hörige, Eigenleute
5 Reisige, Kriegsleute, auch im Sg.: Kriegerschar; im 18. Jh.: Mannschaft zU. Offizieren
6 Familie, Verwandtschaft
7 einem Haus oder Hof oder einer Person als ²Hofgesinde (I), Gesinde (II) oder Knecht (III 1), ¹Diener (III 2) zugeordnete Person(en); auch: alle Bewohner eines Hauses
8 Gemeinschaft der Gläubigen, Volk Gottes, Kirche

II Menschheit; Menge, Schar, jedermann, Öffentlichkeit, Allgemeinheit; besondere Wendungen: mit, unter den, vor den Leuten "in der Öffentlichkeit", bei schlafenden Leuten "zur Nachtzeit"; der Leute sein "vogelfrei, der Öffentlichkeit preisgegeben sein", aus den Leuten bringen "töten, hinrichten"?

III Bezeichnung von Einzelpersonen, deren Gemeinsamkeit im Unterschied zu I durch persönliche, tw. den Stand ohne konkreten Bezug zu einem Herrschaftsverhältnis bezeichnende Attribute (zB: arm, edel, fahrend (s. ¹fahren (B III 1)), gut (I 1), schöffenbar) begründet wird oder wo das unterscheidende Merkmal gegenüber der jeweiligen Allgemeinheit sich aus der konkreten Situation ergibt (so bezeichnet Leute im gerichtlichen Verfahren je nach dem Kontext die Parteien, Eideshelfer, Zeugen oder Schiedsrichter oder (MnlWB. IV 526) Männer im Unterschied zu Frauen)

IV Körperschaften, juristische Personen

V Mannbuße, Wergeld

VI besondere Wendungen: zu L. deihen, werden, zu den L. gehen erwachsen werden, d. volle Rechtsfähigkeit erlangen

Leutaufheben

, subst. inf.

Gefangennahme von Personen nach einer Straftat

(Leutbal)

, n.

Übeltat gegenüber Menschen

leutbar

, adj., adv.

I öffentlich im Sinn v. gängig

II offenbar, augenscheinlich; öffentlich bekannt, lautbar (II)

leutbaren

, v.

öffentl. bekanntmachen

I in nichtrechtl. Verwendung

II als Partei etwas vor Gericht erklären

III vom Gericht: öffentlich verkünden

leutbarig

, adj.

öffentlich

leutbarlich

, adj., adv.

offenkundig, öffentlich

Leutbarung

, f.

Offenlegung

Leutbescheißer

, m.

wie Leutbetrüger

Leutbescheißerei

, f.

Betrügerei

(Leutbischof)

, m.

Diözesanbischof

Leutbrenner

, m.

Brandstifter, Brenner (I)

Leutbrief

, m.

Verzeichnis v. Hörigen

(Leutburg)

, f.

I Bez. für Sodom

II Wohnsitz

Leutdieb

, m.

Menschenräuber

(Leutding)

, n., tw. auch m. u. (mnl.) f., Lotding, n., tw. auch m. u. (mnl.) f.

außer im afries. Sprachraum im Nordosten von Holland (Drenthe), in Holstein (Kremper- und Wilstermarsch) sowie in niederländischen Siedlungsgebieten der Altmark vorkommende Bezeichnung für das meist ungebotene, mit landsässigen Bauern besetzte Landgericht (I) (meist als Berufungsgericht), häufig in Vbdg. mit Botding und Gauding genannt

(Leutding(s)gericht)

, n.

wie Leutding

(Leutdingsmann)

, m.

wer an der Sitzung des Leutdings teilnimmt

(Leutding(s)stätte)

, f.

Gerichtsstätte des Leutdings

(Leutdingsuntertan)

, m.

wohl ein Mitglied des Leutdings der Kremper Marsch (Detlefsen,Elbmarschen II 349)

(Leutdingtag)

, m.

Gerichtstag des Leutdings

Leut(e)betrüger

, m.

im Land umherziehender Betrüger, Gaukler, Quacksalber, Heiratsschwindler

(Leut(e)friede)

, m.

I durch das Volk beschlossener Friede

II das dem Volk als Buße zukommende Friedensgeld

(Leutehieer)

, m.

hier Wucherer

Leutehof

, m.

wie Hof (II 6); Pfarrhof

(leutekundig)

, adj.

wie leutkund

(Leutekür)

, m. u. f.

vom Volk ausgehende oder für es bestimmte Rechtssatzung

(Leutemann)

I Angehöriger eines Volkes

II Leutemann (I) als Kirchenältester und Kirchenvorsteher (I)

²(Leut(e)mark)

, f.

dem Volk als Buße zu zahlender Geldbetrag, Volksmark als Münzeinheit von unterschiedlicher Größe

Leutemörder

, m.

Bez. für eine Person aus dem Bereich der unehrlichen Berufe u. Tätigkeiten

Leutengut

, n.

v. Hörigen bewirtschaftetes kirchl. Gut (II)

Leut(e)schinder

, m.

Steuereinnehmer oder Wucherer, der ungebührlich hohe Steuern oder Zinsen von den Leuten nimmt

(Leut(e)schuld)

, f.

Abgabe oder Bußzahlung an das Volk

(Leutevieh)

, n.

Volksgeld, Gemeindegeld

Leutevogt

, m.

über die Untertanen einer kirchl. Grundherrschaft gesetzter Beamter, Vogtgerichtsbeamter

(Leut(e)warf)

, m.

Volksgericht(sstätte), Volksgerichtsversammlung

(Leut(e)weg)

, m.

öffentliche Heerstraße

(Leut(e)wita)

, m.

Abgesandter, Vertreter des Volkes

(Leutezahl)

, f.

Anzahl der beteiligten Personen

leutflüchtig

, adj.

in der Vbdg. land- u. leutflüchtig: sich der Gerichtsbarkeit eines Landes entziehend

Leutfrau

, f.

Übs. v. lat. Populonia als Beiname der Juno: "Volks-, Schutzherrin" Sehrt,NotkerGl. 122

Leutfresser

, m.

Mörder

(Leutfruma)

, m.

eigentlich Erster der Leute, Gründer, Ranghöchster, König od. Fürst eines Volkes

(Leutgart(en))

, m.

I Land (II 1), Territorium, Stadt als Wohnsitz eines Volkes

II vererbbarer Grundbesitz einer Familie

III Familiengemeinschaft, Sippe

(Leutgebyrga)

Beschützer, Oberhaupt eines Volkes od. einer Stadt

(Leutgedingde)

, f.

Würde, Rang innerhalb eines Volkes

Leutgeheier

, m.

wie Leutbetrüger

(Leutgeld)

, n.

Wergeld für einen Erschlagenen oder Verletzten, Leutwertene (I)

Leutgeselle

, m.

wie Geselle (II 8), Mittäter

Leutgewerbe

, n.

Sklavenhandel

leuthaßlich

, adj.

wie leuthässig

(Leuthasser)

, m.

Tyrann

leuthässig

, adj.

tyrannisch, despotisch

Leutin(g)er

, m.

Inhaber eines milit. Dienstgrades wie Leutnant (II 1), Stellvertreter eines ranghöheren Offiziers, tw. auch als politisches Amt

Leutkäufer

, m.

Sklavenhändler

Leutkirche

, f.

Übs. von kirchenlateinisch (ecclesia) plebes (vgl. Masser,BezGotteshaus 123 u. 134)

I seit dem 13. Jh. im obd. Raum die übliche Bez. für Pfarrkirche als Hauptkirche der Pfarrei, später von Pfarrkirche verdrängt

1 das der Abhaltung des öffentlichen Gottesdienstes dienende kirchliche Gebäude, Kirche (I), auch als Ort von weltlichen Rechtshandlungen
2 ortskirchl. Stiftung, wie Kirche (II)

II Filialkirche einer Pfarrkirche

III die ganze Christenheit, Kirche (III 6)

1 Statthalter, Stellvertreter
2 Gerichtsperson, insb. Richter, auch im militärischen Bereich

II Militärperson, uU. zugleich Verwaltungsbeamter

1 Stellvertreter eines ranghöheren Offiziers, später auch als eigenständiger Rang, in der Schweiz tw. Träger eines politischen Amts
2 oberster L. Inhaber des Oberstleutnantranges oder überhaupt ein ranghöherer L.

III Amt, Stelle eines L. (II 1)