Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Marter

Marter

, f.

selten Maskulinum, dissimilierte Nbf. martel, althochdeutsch, mittelhochdeutsch, mittelniederdeutsch und vereinzelt mittelniederländisch belegt; aus einem Verb zu griechisch-lateinisch martyr "Zeuge" (vgl. Marterer).

I Martyrium Christi oder der christlichen Glaubenszeugen (früh und reich belegt); Verfolgung der Juden, Pogrom
bdv.: Martirie (I)
  • huueo dhero iudeo quhalm after christes chiburdi ioh after sineru martyru quheman scoldi
    um 800 AhdIsidor 25, 17
  • um 1000 Notker II 95, 18
  • daz er ... an des crucis galgan ginegelit wart, und ér an dêre mártire irstarb
    12. Jh. KlAhdSprDm. 138
  • got hevet den man na eme selven gebildet unde hevet ene mit siner martere geledeget
    1224/27 Ssp.(Eckh.2)LR. III 42 § 1
  • der juden martel. do man zalte 1298 jor, do hub sich ein durhehtunge der jüden
    1362 StraßbStChr. I 103
II Folter als gerichtliches Beweismittel; dem dadurch erlangten Geständnis wird unterschiedliche Beweiskraft zugemessen; an, in der Marter bekennen (I), verjehen durch Folter gestehen, (ein Verbrechen) mit der Marter abfragen (I) durch Folter gestehen lassen, jn. an die Marter erkennen (I 2), führen (I 4), legen (II 1), mit Marter ersuchen (IX 1), mit der Marter fragen (III), rechtfertigen jn. der Folter unterwerfen; verstärkend: um keine Marter keinesfalls
  • des sprach ... dy selb vraw, do man ir mit martern droaht, was her torste czu seynem ayde gesprechen, das wold sy ires gutes ym widerkeren
    vor 1368 IglauOberhof 119
  • tatt, so ich tan, begangen und in der marter bechannt hab
    1421 KremsSteinRQ. 74
  • begeret der ancleger von den ... ratmannen, dem gefangen sulche dewbe durch peyn mit der marter abzufrogen
    1465 MagdebSchweidnitz 191
  • 1478 SchweizArchVk. 4 (1900) 237
  • das nymants sol gericht werden vom leben zum tode, er sei dann an warer tat ergriffen oder hab an der marter bekannt
    1483 WürzbZ. II 455
  • 1488 NürnbChr. III 150
  • sol auch der bekentnus, so auss marter geschicht, nit glaubt, noch yemant darauf zu peinlicher straff verurteilt werden
    1507 BambHGO. Art. 13
  • [Überschrift:] von gemeynen vmbenomeden fragestucken vp bekentnisse, de vth marter geschůt
    1510 BambHGO.(Barkhusen) Art. 65
  • Layensp. 1510 Bl. 89r
  • wo ainer also an die frag oder marter erkannt wirt, so solle der richter ungeverlich siben unverleumbt person von rechtsprechern oder gerichtsleuten zu ime nemen und in gegenwart derselben die urgicht aigentlich aufschreiben lassen
    1519 Unterengadin 235
  • 1524 BernStR. VII 1 S. 523
  • das bekentnis, das in der marter geschicht, gibt eine vermutunge, vnd eine halbe beweisunge, wider den, der da bekant hat, welche halbe beweisunge genugsam ist zu einer [erneuten] scharffen fragen
    1541 König,Proz. 10r
  • lassen erfahren, ob er [Täter] mangel an hirni [= geisteskrank]. so er wol by im selbs, witter mitt der marter fragen
    1549 v.Tscharner,TodesstrBern 30
  • [N.N. wird] mit pein vnd marter ersucht
    1566 Moser-Nef,SGallen VII 16
  • so einer an der folter oder marter bekant hat, daß sie jn fuͤren vor gericht, daß er daselbest noch ein mal ... ohn marter bekenne, als dann ist dieselbe bekentnuß krefftig
    TeutschForm. 1571 Bl. 47v
  • wann auch von sehr jungen personen, so jre viertzehen jar noch nicht erreicht, die warheit zu erforschen, dieweil dieselbigen mit peinlicher marter nicht zu beladen, moͤgen die mit ruthen gehauwen ... werden
    KurpfLR. 1582 V 5
  • jehne so ausserhalb der marter, mit eigenem mund, jre laster vnd missethat einbekant haben, moͤgen sich mit der appellation nit behelfen
    1583 SiebbLR. I 11 § 5
  • wa ... der gefangen die vffgelegten that in vnd ausserhalb der martter vor dem richter vnd zwaien schöpffen frej bekhendt, solle ... mit peinlicher rechtfertigung vrthail vnd straff gein jme gehandelt werden
    16. Jh. FrkZentb. 186
  • 1607 Seibertz,UB. III 303
  • 1614 BernStR. VII 1 S. 451
  • 1619 KonolfingenLGR. 397
  • [werden die der Hexerei Beschuldigten] fürs erstmahl lär uffzogen, dannethin mit dem 25&Lb.igen, weliche wir zimliche marter namsend, und uff nit gnůgsam bekantnus mit dem 50&Lb.igen, volgendts mit dem centnerigen stein, so da nohtwendige marter genamset wirt
    1651 BernStR. VI 1 S. 684
  • sofehr aber die verstrickte person an die marter erkennt wäre, so setzt man es einer obrigkeit heim, ... die sache bis an die endurthel zu vollziehen
    1654 GraubdnRQ. II 140
  • 1702 BernStR. VII 1 S. 451
  • 1717 BrandenbKrimO. IX § 18
  • 1755 CCMarch. Rep. II 2 Sp. 227
  • instruction ..., die abstellung der marter ... betr .
    1770 CSax. 990
  • 1783 Quistorp,GrundsPeinlR. 1366
  • an schwangeren weibern darf ... keine marter vorgenommen ... werden
    1785 Fischer,KamPolR. I 50
  • 1801 RepRecht VIII 262
III
Qual, Schmerz, offen zu II; seit mittelhochdeutscher Zeit belegt, meist in nichtrechtlicher Verwendung
  • mit fangklicher marter wider got, kayserlichen landtfriden, gemaine recht ... umb sin gesundthayt bringen
    1495 UrkSchwäbBund. I 173
  • 1561 Maaler 365rb
  • was er iungsten in seiner vhrgicht gesagt sej aus martter vnd in der anmacht beschehenn
    1562 EgerUrgichten 20
  • das ettliche der verurtheilten uß zůvill schwärer inbildung ires thodts und marter in verzwyflung vallend
    1571 BernStR. VII 1 S. 389
  • 1575 Thorn/Sehling,EvKO. IV 243
IV Foltergerät
  • wenn er [Nachrichter] vff den turn gat, ein person ... ze fragen an dem seil oder mitt andern marter, so ist sin lon j lib.
    1450 ZofingenStR. 141
  • inne zum anderen mal an die marter zuschlagen bezalt 4 lb.
    1630 ArchBern 19 (1909) 196
  • 1666 BernStR. VII 1 S. 528
  • 1668 Bern/SchweizId. IV 425
V Gegenstand (auch Bildstock?) oder Emblem als Sühne- oder Hoheitszeichen, im Althochdeutschen: Richtstätte Christi
  • patibulum uuizzigalgun. martra 
    9. Jh. AhdGl. II 220, 12
  • nu bindet die marter wider an! billich sol des riches van daz kriuze tragen, dar nach gesniten, da unser heil wart an erstriten
    1210/20 Wolfram v. Eschenb.,Willehalm(Schröder) 332 V. 21
  • [Totschlagsühne:] sal S. seczen eyn crewcze mit eyner marter an den weg ... dobey sich die geschicht ergangen haben
    1441 Breslau/Frauenstädt,Blutr. 184
  • [Totschlagsühne: sollen] eyne marter lossen setczen wohen jn das benumet wirt
    1446 ZSchles. 9 (1868) 180
  • 1495 Breslau/Frauenstädt,Blutr. 221
  • [Totschlagsühne:] vff weynachten eyne marter zusetzen an die stelle, dor er irschlagenn
    1507 Schlesien/DRWArch.
  • die hatten in ihrem fahnen vnsers herren martel, vnser fraw vnd ein bundschuch
    1698 (bezüglich 1444) Königshoven,Chr. 1009
unter Ausschluss der Schreibform(en):
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