Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Nagel

Nagel

, m.


I Finger- oder Zehennagel, tw. mit dem letzten Glied

I 1 das Vorhandensein der Nägel bei der Leibesfrucht beeinflußt das Strafmaß im Falle ihrer Tötung
  • hwersa hir en frouwe mort clagat and thet frouwa biskawiath, thet hit sa fir nawit ekemen se, thet hit nebbe nauder her ther nene neijlar, sa skel ma thes morthes mith niugin friunden vngunga [wenn hier eine Frau Klage erhebt wegen der Tötung ihrer Leibesfrucht und (andere) Frauen nach Besichtigung feststellen, daß das Kind nicht so weit ausgebildet gewesen ist, daß es vielmehr weder Haare noch Nägel gehabt habe, so darf man sich mit neun Verwandten von der Mordklage reinigen] 
    Mitte 15. Jh. EmsigerR. 136
  • hwersa en frowe en mord clagat. the hit sa fir e kemen is. thet hit hebbe her ende neilan. sa scelma thet mith ix fiurum vnt gunga [wenn eine Frau Klage erhebt wegen Mordes (: Tötung ihrer Leibesfrucht) (und es sich herausstellt), daß sie (: die Leibesfrucht) so weit entwickelt ist, daß sie Haar und Nägel hat, so soll man sich von der Anklage mit neun Pflugeisen reinigen] 
    Mitte 15. Jh. FivelgoHs.(Sjölin) I 332
I 2 die Abtrennung eines Nagels im Kampf wird mit Geldbuße geahndet
vgl. Nagelkerb
  • gif se scytefinger bið ófaslegen, sio bót bið xv scill.; his nægles bið iii scill. [wenn der Zeigefinger abgeschlagen ist, ist die Buße 15 Schill.; (die) seines Nagels ist 3 Schill.] 
    871(nach 890?)/901 Liebermann,AgsG. 82
  • neiles oflethenghe thre scillingar [(für) das Abhauen des (Finger)nagels: drei Schillinge] 
    14. Jh. EmsigerR. 70
  • efft en man moghinghe wunne vppe sinen vingheren effte vp sinen toen, dar de naghele van affghinge, dar schal man vore beteren xxx schillinghe
    DithmLR. 1447 § 98
I 3 als Maß für die Tiefe einer Wunde
  • obirzeuget er en, und dis ist umme eyne wunde nagils tieff und gledis lang - disser nagil ist zu vornemen des mittilsten vingers nagil mit sinem glide ... dises ist eyne kamphbare wunde
    Ende 14. Jh. GlWeichb. 393
  • ain fridbraͤchi wund sol tuͥffi halb sin von vornan dem dumen als lang der nagel ist
    1412 IsnyStR. 177
  • ward einer gewundet so deep als een nagel am finger deep und so lang als ein lidt, scal de schuldige verdammet werden
    vor 1558 (Übs.) SchwerinStR. 281
  • das ein kampffbar wunde ist des mittel fingers nagel tieffe vnd desselben finger lengsten gliedes lang
    1561 Rotschitz 91r
I 4 als siebter Körperteil bei der Berechnung des Verwandtschaftsgrades, dh. der siebte Verwandtschaftsgrad
vgl. Nagelmage
  • diu twischen deme nagele unde deme hovede sek to der sibbe gestoppen mogen an geliker stat, de nemet dat erve gelike
    1224/35 Ssp.(Eckh.2)LR. I 3 § 3
  • so stet div sibende [Sippe] vor an dem nagele allez des mittern vingers. vnd die haizzent nagel mage
    14. Jh. (Hs.) Schwsp.(Kurzform I/Eckh.) 43
II mit einem abgeflachten bzw. verdickten Ende versehener Stift aus Holz oder Metall sowie übertragene Bedeutungen

II 1 zur Maßbestimmung: als Eich- oder Markierungszeichen; auf den Nagel fahren ein vorgegebenes Maß erreichen
  • iewelk rude scal hebben twelf negele opwart; iewelk nagel scal van deme anderen stan, alse de man lang is bit an de sculderen, dorch dat men den berch [vul weites] boren moge van nagele to nagele; iewelk nagel scal hebben twelf budele; iewelk budel twelf scillinge
    1224/35 Ssp.(Eckh.2)LR. III 45 § 8
  • [Gebot,] daz ein ieglicher, der wein, met, pier oder welcherley getrank daz sey, schenket, allen den, die dazselb trank holen, die rehten mozz fuͤllen biz an den nagel 
    1380/1424 NürnbSatzB. 303
  • dz dieselben [Wirte] alle ir kannen ... redelich segent und mit nageln zeichent
    1429 HagenauStatB. 175
  • si süllen ... haben ainen ... mostvirtal mit nagl ausgestekt und ... prant
    Mitte 15. Jh. NÖsterr./ÖW. VIII 168
  • sy [weinmaister] sullen ir schenkch kandl zuhalb zehnerin machen lassen mit gesatzten negeln 
    1459 BerAltertWien 3 (1859) 286
  • ein kupfrin maͤß tůt xxv maß, hat vff jetlicher syten zwoen nagel, das geben die obren nagel den truͤben soͮm in die trotten vnd die vndren zwoͤn nagel den lutren soͮm
    um 1495 BruggStR. 102
  • [die geschlachtwander] den neunpunden dreiunddreissig den lenge machen und geweren, auch domit auf den nagel faren sollen
    1515 NördlingenStR. 275
  • es soll by ainem jeden brunnen ain nachpur verordnet werden, der ob den brunnen halte, das die von niemands weder durch wäschen, fächten, noch sunst under die negel, die darzu in den brunnen gmacht sind, gelärt ... werde
    1534 KonstanzStat. 74
  • wann ein kandten von den angießern zu gering erkannt, vnd ein nagel abgeschnitten wirdt, soll der wirth dieselbe in einem monat wieder nageln laßen
    1620 ZKulturg. 8 (1901) 179
II 2
als Maßbezeichnung

II 2 a für ein Raummaß
  • brennholz 265 kl. 4 nageln à 2 fl. 56 kr.
    1719 BlWürtKG. Sonderh. 1 (1921) 131
  • nagel ... 1/16 klafter, wt. das klaftermaß ist mit 16 nägeln bezeichnet
    1831 Schmid,SchwäbWB. 400
II 2 b für ein Gewicht
  • van xviii bodemen was, weghende xiii waghen ende iii nagle 
    1302 MnlWB. IV 2134
  • yder nagel macht 6 ℔
    1349/1407 NürnbChr. I 102
  • 1 wage in Vlandren ist 30 nayle unde 1 nayl machet 6 marc ℔
    1402/04 DOrdHandelsrechn. 173
  • en schone stucke wasses weghende iiii waghe vnde enen naghel 
    1440 LübUB. VII 875
II 2 c für einen Anteil; etwas nach dem Nagel leisten eine Sache nach einem bestimmten Modus leisten
  • man sol ouch den ... zinswin nemen by dem nagel vnd sol dann der keller empfachen ald ain vogt
    1436 Alemannia 15 (1887) 14
  • das dritte teil korn und habers ... nach dem n[agel] auf den aeckern [als Abgabe]
    1761 SchwäbWB. IV 1927
  • ein eigenthümer von zwölf aktien oder zwölf nägeln, wie man im brehmischen spricht
    18. Jh. J. Möser/DWB. VII 262
II 2 d für eine Recheneinheit: 24 (Huf-)Nägel entsprechen einem Ritterpferd bzw. der dafür einsetzbaren (Geld-)Leistung aus einem Rittergut; der Besitz eines Gutes, aus dem die Geldleistung für 12 Nägel erbracht werden kann, ist Voraussetzung für die Aufnahme in die bremische Ritterschaft
  • sucht ein fremder um die aufnahme [in die Ritterschaft] so muß er ... darthun, daß er so viel adlich freies land im herzogthume besitze, daß davon 12 nagel bezahlt werden koͤnnen ... die stellung eines pferdes, welches zu 24 nageln gerechnet wird, ward zu 958 reichsthalern angeschlagen
    1824 Kobbe,BremG. I 293
II 3 als Strafwerkzeug beim Vollzug einer Leibesstrafe
  • hat einer gruwsamlich got gelestert, an brangen vnd ein naggel durch zungen, oder mit ruoten vssgeschlaggen, vnd auch den naggell 
    1. Hälfte 15. Jh./1636 GlarusGO. 134
  • [leugnet der der Zauberei Beschuldigte die Tat] so soll er ... in ein faß mit neglen durchspickt geworffen werden, vnd mit solcher straff ... seine buß erstatten
    1575 Weier,de praestigiis II 410
II 4 als Kennzeichen eines Grenzbaums
  • verer bis zu der aichen, darein geslagen sein zwen groß eisnein negl 
    16. Jh. SteirGer. 417
  • linker hand stehet ein holzäpfelbaum mit 2 raincreütz, in welchen 2 sichtbare nägl geschlagen zu finden seind
    1688 SteirGer. 363
II 5 als Markierung an einer Hutsäule (II): das Abschlagen der Nägel kennzeichnet ein Versäumnis in der 2Hut (VI 1) 
  • wan ... der perkmaister die huet besuecht und dem hieter zu dreimaln rueft, war er aber nit in der huet, so soll er drei nagl abhacken an der huetsäln, so ist er zu wandl von iedem nagl 12 ₰
    Mitte 16. Jh. NÖsterr./ÖW. XI 50
II 6 a als Abgabe
  • der smit sal bringen 4 ysen und nagel darzu genuch und ab er wulle mit dem sintheren essen, so sal er bringen 8 ysen und nagel darzu
    1517 Koeniger,SendQ. 155
II 6 b formelhaft: Futter und Mahl, Nagel und Eisen zur Bez. des Unterhalts von Pferd und Reiter, dh. Mahlzeiten des Reiters sowie Futter und Beschlagung des Pferdes; weitere Belege 2Mahl (I) 
  • wann wir in also vns zu dinst werden schreiben, so sol er von seiner hauswonung vnd wider darein in vnsern costen mit fueter vnd mal, nagel und eysen werden gehalten
    1467 JbKunsthistKaiserh. 1 (1883) S. 212
  • ain herr zu Sannt Johann ine [amptsman] beritten machen und im, solang er uß ist, futer und mal, nagel und ysen zegeben schuldig sin
    1558 SGallenOffn. II 615
II 7 im Pfandrecht

II 7 a Pfand am/zu Nagel Pfand, das ein Gläubiger in Besitz hat, Faustpfand; ein Pfand an seinen Nagel bringen ein Pfand in seinen Besitz bringen; auch in verflachter Bedeutung: eine Sache an sich bringen
  • welchem varende pfand ... ingesetzt werden, die ... mag ein yeder in sin gewaltsam nemmen vnd an sin nagel hencken
    1520 FreiburgStR. II 8, 1
  • wann einer umb sein laufende schuld die ihme versetzten frücht, vor und ehe einem zinsherrn die underpfand heimgefallen ald der uffall gat, mit gebührender ordnung zu seinen handen bringt, demselben sollen solche frücht, als der ... das pfand an seinen n[agel] gebracht hat, ohne intrag an sein ansprach gehören
    1592 uö. SchweizId. IV 684
  • wenn auch sonsten einer rechtmeessiger weise ein solches pfand zu nagel bekeeme, das ihm gleichfalls ... zur sicherheit verbleiben
    1715 DRWArch.
II 7 b etwas auf dem Nagel verkaufen zwangsversteigern
  • wie man durch ain zedl ligende guetter dem geltschulder soll zu wissen thuen oder proferirn, das man im die verkhaufft auff dem nagl oder cannt
    um 1500 GörzSt. 50
II 8 formelhaft: mit Nagel (und Niet, Nut, Wiede, Band) begriffen, verhaftet usw.: fest verbunden mit einem Gebäude, zur Kennzeichnung von unbeweglichem, zu einem Anwesen gehörigen Gut iU. zur Fahrhabe
vgl. nagelfest
  • ir were daz hus mit nagel umbe ir gelt geantwúrt von gerichte in allem dem rechte, als ub der vaden vúr daz hus gespannen were
    1318 FRBern. V 95
  • waz der hof bedarf nůt und nagel, daz sol das closter bezalen, waz aber sus notwendig wer von zúnen, dechern, wenden unde anders, daz sol der leheman machen
    1415 AnzGMus. 3 (1834) 81
  • hat der radt entslossen, das wein faß, kusten, truchen, kopfhewser und sydelen, was nyd und nagell nit heptt, hausradt sey
    1476 HeilbronnUB. II 151
  • ist in solichem kouff beschlossen [ein Haus] ... mit allem dem, so nagel und nůt begriffen hat
    1516 BernStR. VII 1 S. 187
  • welches theil uß müesste ziehen uß ainem hauß, so soll es darinn laßen was wied und nagel hebt
    1552 WürtLändlRQ. II 85
  • das wir ... zu khauffen geben haben ... unnser aigen haus, ... auch alles, was mit nagel und pandt darinn verhefft ist
    1572 MünchenStR.(Auer) 252
  • nun werind sý ime daselbs har ein summa gellts schuldig worden, kurtzer tagen aber ab dem lechen zogen vnnd etliche stuk, die aber nůt vnd nagel begriffind vnnd ins hus ghortind, vss dem hus genommen
    1582 HönggMeierg. 94
  • in summa alles benent und unbenents beweglich guet das mit wied nagl oder banden nit verhaft oder verfangen sondern geführt getriben und getragen werden mag, daß ist alles varnuß
    16. Jh. ZRG.2 Germ. 23 (1902) 280
  • was mit nagel und pandt umbfangen ist
    1680 OstbairGrenzm. 2 (1958) 280
  • unbewegliche sachen hingegen sind die guͤter, acker, haeuser, was nagel und nuth hatt
    1709 Mutach 46
  • [Verkauf e. Hauses] wie solches mit rain und stein umfangen, mit nagel und band umgeben, und verhaftet ist
    1752 Greneck Anh. 34
II 9
formelhaft: jn. mit Tür/Tor und Nagel beschließen/beschützen jn. in ein Schutzverhältnis aufnehmen, sich mit Tür und Nagel beschließen sich in ein Schutzverhältnis begeben
  • daz sich riechter C. ... mit nageln unde thuren czu M. besliessen lasse
    1430 Erler,Ingelh. III 272
  • we mit uns [Bürger] wonde unde den de rait beslote myt nagel unde mit dor unde neyne gilde en hedde, de enmochte nergen want snyden
    1453 GöttingenStat. 452
  • das die frow von B. unsers gnedigen herrn libaigen und ain burgerin were, hette sie ouch beschlossen mit thuͤrr und mit nagel als ander siner gnaden armen lutt
    1456 Sattler,WürtGr. II Beil. 135
  • weisen wir die gemein ... unserem ... herrn von M., ... der uns beschleust mit thür und nägel und hat uns vor andern herrn zue gebieten
    1530 Odenwald/GrW. VI 2
  • die mit n[agel] und thor beschutzt wollen seyn
    1531 SchwäbWB. IV 1926
  • zins- und giltleute, die sich mit tür und nagel beschlieszen
    1602 Birlinger,WB. 348
II 10 formelhaft, in Danzig und Thorn: ein Haus oder Gut mit dem Nagel / bei Nagel und Ring antworten eine Sache von Gerichts wegen an einen Gläubiger übereignen; hierbei wird in Anwesenheit von Zeugen der Ring an der Haustür des Schuldners gegen den Türnagel geschlagen
Sachhinweis: ZRG.2 Germ. 57 (1937) 457ff
  • do wart czum dritten dingentage [vore gehegetem dinge redelichin noch allir uswysunge des lantrechtes dirworbin, das is [Gut] dem foygt] ... mit dem nagele wart geantwort
    1405 CulmUB. I 358
  • wer keyne beczalunge gekrigen kan von dem erbe, do her czins uffe hat, also das im das erbe vor zeyn pfandt bey nagel und rynge wurde geantwert mit gehegetem dinge ... szo sal derselbe das erbe zcu dren dingtagen uffbitten
    1435/54 DanzigSchB. 34
  • so dat em [Gläubiger] dat sulve erve nah ordeninge unses rechtes bie nagell unde rynge is geantwurdet
    1466 Danzig/LübUB. XI 32
  • so ist L.L. ... in das halbe hauss mit nayle vnnde ringe ingeweyset
    1481 Thorn/ZRG.2 Germ. 57 (1937) 467
  • [Übschr.:] von verlangung eines erbes mit gehegtem dinge bey nagel und ringe
    1615 Danzig/ZRG.2 Germ. 57 (1937) 460
II 11 in der Wendung: Pelz und Rock an die Nägel hängen Kleidung geben
  • wenn deheiner der husgenossen oder lenlüten nüt [lies: mit] sinem herren wimmen wil, das sol er sinem herren verkünden, und danne der herr ... dem lenman in die trotten win und brot ... schikken sol, und das da mit der herre des belzes und des roks an die naglen ze henken ledig sin und dem lenman davon nit ze antwurten haben soll
    15. Jh. ZürichRQ.1 140
II 12 von einer Witwe gesagt: sich an einen anderen Nagel hängen sich einen anderen Rechtsbeistand und Vormund wählen
  • wann ainer frowen ir ehelicher mann stirbt, ... so soll der kinden negsten vatermag dass erst jar vogt sin der frowen und der kindern, danethin so mag sich die frow hengken an ain andern nagel 
    1432 Thurgau/GrW. I 278
unter Ausschluss der Schreibform(en):
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