Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Rüge

Rüge

, f., n.


I afries. mit anderer Wortbildung wrôgene 
Anzeige eines Vergehens bei Gericht oder einer dazu bestimmten Person, die wiederum die gesammelten Rügen in der nächsten Gerichtssitzung vorbringt; anders als die Klage, mit der ein persönliches Interesse verbunden ist, ist die Rüge auf die Durchsetzung der "öffentlichen" Ordnung gerichtet
bdv.: Rügat (II)
vgl. 1Sendrüge
Sachhinweis: H. Siegel, Das pflichtmässige Rügen auf den Jahrdingen ..., in: WSB. 125 (1891)
  • als hi dan dijn eed swerren haet, soe aegh him di decken dat ferdeban ti dwaen, dat him emma aet quades sprecke iefta dwee omme zijn wroghene [sobald er den Eid geschworen hat, soll der Dekan ein Friedegebot für ihn erlassen, damit niemand ihm wegen der Rügetätigkeit etwas Böses nachsage oder tue] 
    10. Jh.? (Hs. 1464) WesterlauwersR. I 168
  • umb die wroge ind bruche so sal unss herren scholtisse ... dingen
    1386 Lacomblet,UB. III 802
  • uber alle ... diese ... stucke ... furbrengunge und ruge, wie die geschen und irgangen sin ... bat mich offenbaren schriber ... der ... kelner ..., das ich ime eyns, zwey oder me ... offen instrument machen wolte
    1426 SchriesheimW. 32
  • sol man offenbaren und lesen alle offen ruge fur der gemeinde und dem gericht, das ein iglicher wisse, was er furbringen und rügen solle
    Mitte 15. Jh. Waibstadt 110
  • [Streitpunkt:] verbut dem schutzen kein ruge zu thun. daruff unser meinung, das ein schütz sin ruge thun sol vor den zweien schultessen und zweien burgemeisteren
    1472 Zuzenhausen 727
  • mag ein rate außerhalb diser eruordrung ... ir gesetze vnd gewonliche peene auf gewonliche růg oder fuͤrbringen außerhalb rechtens eruordern vnd einbringen
    NürnbRef.(1479/84) VI 19
  • wan die rüge also geschehen ist, so werden die zwölf dan auf stund eines tags zu rath, wan sie sitzen und der straffung nachgehen wollen
    1492 Speyer/Koeniger,SendQ. 181
  • ist ein ieder seßhaftiger burger ... schuldig zu suchen drei hohe ungebotten gericht, darauf ruge zu thun
    1492 Walldürn 255
  • erschennen dar de solven maellude und deden dar voer my richter ... up eren eyth eyn gemeyne wroge over summyge bynnen und buten O., de sick der ... marcke mit nutte ... gekroedet hedden
    1497 Philippi,Erbexen 61
  • will ein rath die lewt für soliche rug des fürkauffs nit mer so leichtvertigclich mit aiden zulassen, sunder sich allweg der ding fleyssiglichen erkundigen
    15. Jh. NürnbPolO. 214
  • do der egnant meister G. auch die vorgnanten von C verclagt wie das die von O. obir meister G. eyne falsche ruge gethan vnd gescheen haben loissen
    1505/06 KasselGB. 46
  • urtheill, was mit rugen yn komen vnd gutlich vertragen wirt, sal man sich pillich auch mit den heren vertragen, dan aller vertrag yst und wirt gemacht an der heren schaden
    1509 Franken/GrW. III 592
  • ob einer ruege ... behuebet, die sol ... man belegen nach alter gewonheit
    1513 GrW. V 727
  • ein jeglicher, der ein ruge bringt, soll eigentlichen fuͤrbringen, soviel ihme daran wissent ist, vnndt soviel er gesehen vnndt gehoͤrt hat
    1520 ErbachLR. 52
  • nach einer begangen frevelthaten alsbald zw frischem gedechtniß am negsten gericht ... die rüge zu hören
    1558 Niederrad 217
  • alle ... sachen aines raths vnd gemainer stat ordnung und gesetz den handwerckern gegeben auch derselben vbertretung rug und straf belangend sollen ... vor den verordenten rugherren gehandelt geruͤgt vnd außgetragen werden
    NürnbRef. 1564 I 6
  • so viel aber die heimruge belangen tut ... soll ein jeder inwohner zu M. ... uf sein gelübt und aid das jahr aus alle vierzehen tag daheim sein und sontags nach der predigt rug halten
    1565 BadW. 290
  • stehet auf und wroget, was ihr wisset, und hütet euch für schaden, damit dem gn. landesfürsten keine wrogen versehen werden
    1571 Niedersachsen/GrW. III 247
  • hierop will men heijmlicke wroege hebben, ende wie gewroeget word, die sall daervoor geen onschult doen ende sall die wroeger den koer halff hebben
    3. Viertel 16. Jh. KampenStROntw. 385
  • man hat ein zentbuech, darein alle geclagte rechtssachen an ruegen, clagen, antworten ... beschrieben werden
    1575 WürzbZ. I 1 S. 94
  • vom N. und derselben im zierkl ligunten grunten alle maleficische lantgerichtshandlungen, daraus sie rögen zu thain schuldig
    1585 NÖsterr./ÖW. VIII 279
  • das dero stadt dienere ... die vroge bey ihren eyden von unzucht, ehebruch [ua.] ... inbrengen und niemanden, klein oder gross, reich oder arm, wissentlich und vorsatzlich verschwiegen noch ubersehen wollen
    1591 Lippstadt/Koeniger,SendQ. 61
  • drei ungeboten geding mit scholteis, scheffen, boden, dieselbe gedinger zu halten und in der kirchen roefen zu laßen, die vragen inzutragen mit gemeinen hausleuten
    1613 RhW. II 1 S. 288
  • forster ... welche ... die vrogen ... zur gepuirender zeit ... an die dinkbank zu D. vor- und einbringen sollen
    1624 SPantaleonUrb. 508
  • soviel aber die schäden belaufet oder belanget, soll ein jeder ob dem schaden beschrien werden; wo nicht soll es für kein rug angesehen werden
    1650 Zehnter,Messelh. 338
  • es sollen auch unsere beamten [e]in land-gerichte jaͤhrlich, ... zu halten ... erinnerung thun ... sie haben aber monatlich von ihren nachgesetzten dienern ... die wrogen sich einbringen zu lassen, dieselben sofort zu verzeichnen und deren beschreibung, bis zum antritt des landes-gerichts, bey vermeydung willkuͤhrlicher straffe nicht zu verschieben
    1674 BrschwLO. IV 5 S. 23
II
das zu rügende Verhalten; auch ein angemahntes Verhalten (1657)
  • zeigen an, wie sie mit vier rugen an die zent gehoren: ein diep am strang, notzucht, mord, rein und stein, so frevenlich verruckt werden
    Ende 15. Jh. WürzbZ. I 1 S. 497
  • haben vier rug: dieberei, morderei, notzwang, flissende wunde
    Ende 15. Jh. WürzbZ. I 1 S. 498
  • die ruegh [Bed. III] seie ein sester weins, hebt man den sester weins, so ist es kein ruegh, hebt man den nit, so ist es ein ruegh 
    1565 Untermosel/GrW. II 362
  • ich frage, welche sind die vier wrögen, daran unser gn. fürst und herr die brüche hat? antw. 1. wappengeschrei. 2. gezogen gewehr. 3. blutige wunden. 4. der sein recht nicht suchet
    1580 Niedersachsen/GrW. III 270
  • wenn eine leiche zur erden zu bestatten ist, und aber einer oder andre nachbar die rügen versäumen thäte, der oder dieselben sollen von iedweder rüge, alten brauch nach mit 1 groschen 4 pfg der gemeinde zur buße verfallen seyn
    1657 SchrLeipzig 10 (1911) 66
  • wer rüge verschweigt, oder einen umb rugens willen schmählich mit worten antast, soll an unsere gnädige herrschaft verwiessen werden
    1669 ArchHessG. 9 (1861) 149
  • begreift dieser blutbann ... nur die sogenannten 4 hohen waͤnde oder wrogen -- mord, brand, nahm, nothzucht ... unter sich
    1798 Grolman,KrimRWiss. 110
III Geldbuße für das gerügte Verhalten
bdv.: Rügeinung
  • was von rugen in das zentbuch kommen, sal der zentbuttel den partheyen, so im bevelhe wirt getahn, fur gericht zukomen, gebieden von gerichts wegen, darumb man ime nichtes gibt
    1425 Franken/GrW. III 532
  • wann der heimburg die ruge in will nemen, dar zu soll er nemen uß dem rade zwen oder dri, und sall daz beschriben, als dick als man im rugt, waß man im uff daz mal gerugt hatt
    1447 Walldürn 238
  • sollen die junkern von K., wan sie märkerding halten, ein wein gen O. legen, denselben wein sollen armen und reichen trinken, und die geschworne sollen den weinscherer, und den wein von der ruge bezahlen, und wäre es sach, daß der ruge wäre mehr, dan sich vor den wein gebürt, so soll das übrige bleiben stehen zum andern märckerding
    1480 Wetterau/GrW. III 499
  • sollent der statt vörster uber die hege bey iren eyden rugen, darvon sollen von jeder rug, so sie thun funf schilling unserer probstey und die uberigen funf schilling der statt zugehören
    1536 SchlettstStR. 215
  • wanne ein kirspeldts kindt die ruich schuldigh und vermagt, so gebürt von derselbiger straff dem pastor die zweyte theill und den sendern das drittheill
    1588 LuxembW.(Majerus) II 312
  • erkennen, dass wen ein herr pastor ... ankombt, dass er schuldig ist den sehendern den vesperwein zugeben wie auch zu halbfasten eine ehrliche mahlzeit, alsdan die sehender die roehen und strafen, welche das jhar durch fallen, einbringen ... müssen
    1641 Luxemburg/Koeniger,SendQ. 289
  • waß von bürgern und dem feldschützen ruegbar ahngebracht, fallen die helft ruegen gemeiner statt und die andere helft demjenigen, der es rüegt
    1667 OStR. I 1017
IV
Gerichtsbarkeit; Gericht als Institution
  • des closters knecht sal nit vrteyl sprechen mit andern scheppfin do selbst odir auch nit an die ruge geen, wan er des closters fryheid vnd recht warten sal
    1412 Alemannia 30 (1903) 90
  • A. hat dieser zeit drei hausgeseß, hört auch gen S. in rug und recht
    1608 BadW. 182
  • in Nuͤrnberg ist auch ein ... ruͤge-gerichte, welches mit 5 raths-herren bestellet ist, und daher das fuͤnffer gerichte oder die rug genennet wird
    1753 Oberländer 627
  • roge, ruͤge, uneigentlich für gerichtsbarkeit, gerichtsbezirk
    1798 Arnoldi,Beitr. 84
V Rügordnung 
  • [Übschr.:] der statt rug undt articul
    1563 Sinsheim 454
  • dis ist die froig und weisthum der herligkeit H.
    1594 KlArchRhProv. I 64
  • dies ist die vrongh zu G., die man jahrs uffm vogtgeding offentlich verliset
    1690 KlArchRhProv. I 46
VI Rügeverfahren, Gerichtsverhandlung
bdv.: Rügat (I)
  • wer es, daz etlicher furbrocht wurde, also daz er nit an der ruge were gewesen, dem teilt man ein onrecht, daz ist zwenzig heller
    1445 Oberschefflenz 1075
  • wanner een rijchter mit den erfexen die daer toe ghesaet sijn ten mijnnesten ende mit den buren ene holtinghe ofte ene wroghe hebben wil, soe sal en rijchter sijtten ghaen vp die benke mit twen sijner buren toe kornoeten ende heghen een gherichte
    Mitte 15. Jh. OYStR. III 12 S. 11
  • wann ... der gesworen montag ... uß geruffen wirt, so mag einer dem andern, mit dem er zu thun hat ... dweile die burger in ruge bi einander uff dem huse sint, furgebiten lossen
    1466 Wertheim 28
  • in die wroige brengen
    1470 NrhArch. 3 (1860) 242
  • das ein iglicher inwoner zu F. bi pene zwenzig pfennig schuldig si bi der ruge zu sin
    1498 Wetterau/GrW. V 326
  • vff den dinstag in den bottingen befelet dy voit czwen vz dem rate, das sy dy rüge sitzen vnd czwene, dy der armen lüte warten, dy wile man in gerichte siczczet
    15. Jh. Größler,Eisleben 56
  • so vil dann belanngen die offen ruge, der werde also gehalten: namlich uff dem tagk, so daß offen gericht verkhundt werde, so müsse die gemein zu Z. sich vor zu einander fügen
    1551 Zuzenhausen 730
  • die ruge aber uber die laster der pfarkinder sol ordentlich also gehalten werden, das einer iden gemeine, eines jeden dorfs, so viel der dörfer in ein pfarkirche gehören, auf einmal oder tragt, vier artikel von obgeschriebenen lastern aufgegeben werden. darnach widerumb viere, und also forthin bis zum ende
    1554 Mansfeld/Sehling,EvKO. I 2 S. 192
  • solche hernach folgende articulen sollen ... alle jahr uff rug georgii und galli der gemeindt fürgeleßen werden
    1563 Sinsheim 454
  • müssen [die Freischöffen], wie auch alle andere scheffen auf dem lande, alle verbales iniurias und hendel wider ehr und redligkeit als schelmstucke, diebstäl, ehebruch, hurerei, zauberei und dergleichen in die wroge bringen
    1616 MittLippe 26 (1957) 75
  • da die rugten vorbei, ist man dem schultheißen und richter für sein cost und lohn schuldig [folgen Beträge]
    1720 BadW. 313
  • man sol auch die ruge geben den höffischen auf ire eid und gelübde, das sie alsdann vermittelst eides fürbringen was des eids rügbar ist, eyn lymundt für ein lymundt ein warheit für eine warheit
    oJ. ArchFrankfG.2 2 (1862) 225
VII Prüfung von Münzen, Gewichten und Maßen auf ihre Richtigkeit, Eichung, genormtes Maß
  • dat onse börger van W. vorgemelts alle kanne, gewichte, maate, fröge binnen onser wibolde ... to haelen plegen
    1432 Schulte,Wattenscheid 108
  • sal men ... mit nynen knipwagen wegen, de en sin ... van unssen mestere, wy dar to zetten, gemaket mit wroge offte gewroget mit unsses stades rade getekent
    1477 OsnabrGildeUrk. 54
  • die wröge der haspel, maasse und gewicht
    1705 Culemann,MindenLV. 268
  • zur wroge gehoͤren: erstlich alles grob, klein, und weißbrod, iten alle zu druͤgen und nassen wahren, ihren maßen, als verlop, halb oder viertentheil, schepfell, halb oder spint ... ferner alle kannen maße ... wie imgleichen allerley gewichte
    1730 Behnes,BeitrMünster 644
  • sonst wird unter wroge noch verstanden: die obrigkeitliche untersuchung der maaße und gewichte
    1800 Klöntrup,Osnabr. III 323
  • eyn raid to Mynden hefft de wroge unde werderinge des geldes
    oJ. Schiller-Lübben V 782
VIII Deichschau
  • ok en schullen unse amptlude unde voghede up unsen sloten edder anders jement nenerleye schowynghe edder wroghe hebben an den vorscreven dyken
    1417 BremUB. V 88
unter Ausschluss der Schreibform(en):
unter Ausschluss der Schreibform(en):