Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): 1Schelle

1Schelle

, f.


I kleine Glocke, die zu best. Anlässen geläutet wird

I 1 als Hinweissignal für Gerichts- oder Ratszusammenkünfte und offizielle Bekanntmachungen
  • up eenen dinghedach so lude men die scelle ter hallen, ende daarna die clocke
    1. Hälfte 14. Jh. AardenburgRbr. 218
  • [Ratsleute sollen zusammenkommen, wenn] si die cleini glogken oder schellen, so in der lüt kilchen ob dem kantzel hanget, lüten hoͤrent
    1463 BernStR. V 75
  • die schell wird gebraucht zu dem endt, dass wenn einer die straff nit würde annehmen, sondern in seiner bossheit verharren, soll man selbigen für einen offenen, unbussfertigen sünder ausruffen
    1628 Rheinland/Koeniger,SendQ. 30
  • [Bekanntmachung der Zahlungspflicht von Schatzungsgeldern mit] der schell 
    1742 ChrKaiserslautern 627
  • die ... fruchtmarkts-ordnung [wird] sowohl durch die schelle, als auch durch die ... schriftlich erlassenen weisungen ... oͤffentlich bekannt gemacht
    1802 HeidelbPolGes. 16
  • durch die schelle und das wochenblatt bekannt gemachte verordnung
    1806 HeidelbPolGes. 78
I 2
als Hinweis- und Warnsignal an best. Karren und Fuhrwerken, etwa Krankentransporten und Unratfuhren
  • sî varent zu bewarene einen siechen, so sulen sî hemede unde roclîne anehaben unde sal vur in varen ein schûlere mit einme roclîne ... unde ein schelle, die wol lûte
    1264 DOrdStat. 73
  • der horbmeister ... soll auch verschaffen, das seine karcher ... ihre schellen ... führen und klinglen laszen
    15. Jh. Eheberg,StraßbVG. 472
  • die karcher und führer sollen der alten ordung gemes ihre schellen haben und solche klinglen laszen umb der feget willen
    1640 Eheberg,StraßbVG. 707
  • damit aber jedermann die herumgehende mühlfuhr hören und wissen kann, soll der müller dem mühlross ... eine rollen oder schellen anhängen
    1657 SchwäbWB. VI Nachtr. 2610
I 3 im Zsh. mit Religion und Kirche; insb. als Messglocke und als Zeitsignal für Prediger
  • by eyner maß wins one gnade solle keiner die schelle ... klenken noch lutten
    1410/11 Speyer/Schanz,Gesellenverb. 179
  • auf die volendeten prefation und consecration gibt man ein zeichen mit der schellen, darnach so bald elevirt der priester beideteil des sacraments ane mittel nacheinander
    1525 Preußen/Sehling,EvKO. IV 32
  • der custer soll auch zween zaiger ... umkehren, so bald der predicant uf die canzel gehet, und wann also der seiger vor einer ... stunden ausgelaufen, so soll er mit einer darzu verordenten schellen clingen, damit der predicant schliesse
    1545 Zerbst/Sehling,EvKO. I 2 S. 593
  • sodan ... sollen die kirchgenossen allezeit erhalten ... dz todten rauchfaß und die schällen und laternen zum verwahren
    1724 GasterLsch. 296
  • in denen kirchen [soll] ... die umtragung ... ihres sacraments mit zwey bis drey brennenden fackeln, dem rauch-faß, einem weyh-kessel, sambt einer schelle und lucern ... geschehen
    1727 Faber,Staatskanzlei 52 S. 3
I 4 als Merkmal der Aussätzigen und Bettler; auch bei der Spendensammlung
bdv.: Todschelle
  • nachdem auch das gebrech des aussatz ganz gefehrlich ... sollen die aussätzigen sich unserer städte ... meiden und die almosen durch einen darzu verordneten, so mit einer schellen umzugehn, ... gesinnen lassen
    1558 Jülich/QNPrivatR. II 1 S. 353
  • es sollen etliche verordnet werden, die auf sontag und mitwochen durch alle gassen gehen, das almusen ... zu samlen, deren jeglicher tragen sol ... eine glocken oder schellen, damit menniglich vermanet sey, das almusen zu reichen
    1569 Wolfenbüttel/Sehling,EvKO. VI 1 S. 263
  • A.W. ist zu einem bettelvogt angenohmen worden, daß er ... die hunde hinausjage, mit der schelle von hauß zu hauß gehen und ... die wirtshausbüchs ... herumbtragen soll
    1651 ChrKaiserslautern 181
I 5 bei Ehren- und Arbeitsstrafen: an einem Schandinstrument oder einer Fessel befestigte kleine Glocke (zur Kenntlichmachung des Sträflings)
vgl. 2Schelle
  • [ein Dieb soll] auf lebzeiten in die karre zur strafe geschloßen und ihm ... ein kleiner eiserner galgen mit einer schelle auf den kopf ... gesetzt werden
    1765 Scheu,Mühlhausen 47 [hierher?]
  • dort werden der elenden [die Sportelgebühren nicht bezahlt hat] um den hals eiserne ringe geschmiedet, klingende schellen hangen ihr hoch über den kopf, und sie muß ... straßen ... reinigen
    1783 Pestalozzi,Werke IX 14
I 6 als Signal für Arbeitsbeginn und -ende
  • en sall nyeman na der schellen gewant zeunen noch verkouffen. we dar weder deit, de gilt VI schill. zo boissen
    vor 1396 Ennen,QKöln I 371
  • ehe man mittag geleut, wer der H. mit seinen arbeitern aus dem weingarten gangen, und wie man die schellen umb zway hor geleut, weren sie wider komen
    1555 Kramer,BaBüUfrk. 165
I 7 als Türglocke
  • hoscheho ist das rufen vor einer tühre ohne klopfer oder schelle, damit jemand vom hause herbeykomme
    1760 Alemannia 15 (1887) 207
I 8 an der Kleidung, als Zeichen für den adeligen Stand
  • mynr frauwen von Cleve [verpfändete] kleynod: ... ein weich gurtel mit gülden schellen 
    1402 Janssen,RKorr. I 668
  • schellen waren ehemals der schmuck der fuͤrsten und hofleute, und bezeichnen daher den adelichen Stand
    1784 Breitkopf,Spielk. I 33
I 9 als Erkennungszeichen von zu einer Herde gehörigen Tieren
  • [keuw hyrte:] verlort er ... der keuw eine ader mehre, die nit schellen anhette hangen, den schaden sal der ader dye hayn, des das vehe were
    Mitte 16. Jh. RheingauLändlRQ. 146
I 10 als (verbotenes) Hilfsmittel bei der Treibjagd
  • das niemand vor des heilligen creutztag erhebung, kein rephuhn noch wachtel nit fahen noch verstecken sol, mit einichem verlegzeug, stoßgarn, noch mit schellen oder anderm treiben
    1572 Wüst,Policey II 159
II Ohrfeige
  • eine schelle reichen 
    1728 GrRA.4 II 189
  • eine schelle, d.i. ein schlag mit der flachen hand auf das maul oder die backen
    1798 Adelung2 III 120
III pl.: Hodensäcke des Mannes
  • das ... zwen knaben, so des vichs im veldt gehüetet, einandern die schellen haben abgeschnitten
    1566/67 ZimmernChr.2 III 11
IV jm. eine Schelle anhängen jn. ehrverletzend ins Gerede bringen
  • und henckt mir an vil schampar schellen / ich sey ein esel, narr und dropf
    1547 Hans Sachs/HalleNeudr. 193/199 S. 268
  • er wist im ein klettenn oder ein schellenn anzuhenckenn
    1549 Dreytwein,Chr. 64
unter Ausschluss der Schreibform(en):
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