Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Selbsthilfe

Selbsthilfe

, f.


I rechtswidrige, eigenmächtige, auch gewaltsame Durchsetzung eines beanspruchten Rechts ohne Inanspruchnahme obrigkeitlicher Hilfe; Selbstjustiz
  • daß niemand sich zu dem ... weßen er sich berechtiget zu seyn vermeynet, eigenthaͤtig verhelffen solle. maaßen dann die selbst-huͤlffe in denen kaͤyserlichen rechten by schwerer straffe verboten
    1674 Marsmann,MeilenR. 52
  • so ist auch das faust-recht eine selbsthuͤlffe oder rache, dannenhero es auch ein selb-gericht genennet wird
    1674 Marsmann,MeilenR. 60
  • [wie] ein glaͤubiger ... durch einnehmung seines schuldners guͤther ... so wird auch ohne einige verletzung der justitz sich eine stadt bey ihren wohl eingefuͤhrten ... meilen rechte selbsten schuͤtzen duͤrffen, sintemahln ein anders ein selbst-schutz und eine selbst-huͤlffe, und jener viel zulaͤßiger dann diese
    1674 Marsmann,MeilenR. 54
  • den unterthanen ... wurde ... wenn auch gleich die gegen ihren landesherrn ... habende beschwerden noch so rechtmaͤßig und begruͤndet seyn sollten, aller thaͤtliche widerstand gegen die ... verfuͤgungen desselben, wie auch alle selbsthuͤlfe ... untersagt
    1786 Kerner,RRittersch. I 149
  • die selbsthülfe kann nur in dem falle entschuldigt werden, wenn die hülfe des staats zur abwendung eines unwiederbringlichen schadens zu spät kommen würde
    1794 PreußALR. Einl. § 78
  • unerlaubte selbsthülfe im weitern sinne besteht in der anwendung des zwangs zur rache oder eigenmächtiger einsetzung in die ausübung eines streitigen rechts. sie umfasst also die privatrache und die eigentliche selbsthülfe (eigenmächtige verfolgung eines streitigen rechts), welche in dem staate verboten ist, weil hier nur durch öffentliches urtheil der richterlichen gewalt rechte geltend gemacht werden dürfen
    1808 Feuerbach,PeinlR.4 164
  • oeffentliche bekanntmachung eines schuldners von seite eines privatgläubigers wird als unerlaubte selbsthülfe angesehen
    1815 Gönner,EntwGesB. I 4
  • niemand darf in privatrechtssachen sein wahres oder vermeintliches recht durch privatgewalt geltend machen; die selbsthülfe ist jedoch erlaubt, wenn ein dringend bevorstehender rechtsnachtheil nicht anders abgewendet werden kann, oder wenn der inhaber oder besitzer sich derselben zur abwendung einer unerlaubten privatgewalt bedient; es muss jedoch derjenige, welcher die selbsthülfe gebrauchte, den vorgang bei gericht ohne verzug anzeigen
    1815 Gönner,EntwGesB. I 4
II einem Territorialherrn zustehendes Vorrecht hinsichtlich seiner Untertanen kraft eigenen Willens zu handeln
  • von der selbst-huͤlfe, welche landes-herrn in ansehung ihrer landesherrlichen, besonders steuer-gerechtsamen, gegen ihre widerspenstige unterthanen zustehet, und derselben manutenenz bey denen hoͤchsten reichs-gerichten
    1756 Cramer,Neb. II 122
  • seitdem ... der landfriede den landstaͤnden die selbsthuͤlfe aus den haͤnden gewunden hatte; liefen ganze landschaften gefahr, in ihren vorrechten ... nach und nach untergraben zu werden
    1777 Pütter,BeitrStaatsR. I 128
  • [Übschr.:] selbsthilfe in dem rechtlichen besitze der landesherrlichen rechte. immassen dann auch kurfuͤrsten, fuͤrsten und staͤnden ... erlaubt seyn soll, sich nach der verordnung der reichskonstitutionen bei ihren hergebrachten ... landesfuͤrstlichen und herrlichen juribus selbst, und mit assistenz der benachbarten staͤnde wider ihre unterthanen zu manuteniren, und sie zum gehorsame zu bringen
    Wahlkapit.(1792) 541
  • nach welchem [wohlerworbenen recht] derselbe [herzog] die unterthanen im V. ... durch alle unter freyen voͤlkern erlaubte mittel der selbsthuͤlfe zu vertreten vollkommen berechtigt ist
    1799 Runde,Beitr. I 145
III unerlaubtes, eigenmächtiges Handeln eines Landesherrn im Widerspruch zum übergeordneten Recht des Reichs (II) 
  • [bei einer offenbaren verletzung des westfälischen friedens] sollen die höchsten reichsgerichte sogleich zur exekution schreiten ... selbsthilfe ist aber keineswegs zu gestatten
    um 1795 StaatsRHeilRömR. 64
  • der staatsverband schliest unter allen reichsgliedern die selbsthülfe aus, wo nicht reichsgrundgesetze sie ausdrücklich erlauben
    1804 Gönner,StaatsR. 96
  • stehet die landeshoheit im nexus der subordination gegen die höhere gewalt des teutschen gesamtstaates, welche sich ... bei allen ausflüssen der obersten gesetzgebenden, rechtsprechenden und vollziehenden gewalt des reichs äussert, deren manche in dem verbande der teutschen territorien unter einander, als glieder eines staats, ihren grund haben, wohin handels- und schiffarths-freiheit nebst dem verboth der selbsthülfe unter den reichsständen ... gehören
    1804 Gönner,StaatsR. 337
unter Ausschluss der Schreibform(en):