Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): spitz/Spitze

spitz

, adj.


I in einer scharfen Spitze (I) endend (und damit eine Verletzungsgefahr darstellend)
bdv.: spitzig (I)
  • swer oͮch ein spizz messer treit, so es verbotten ist, der rúmet die stat einen manod
    1283 Straßburg/CorpAltdtOrUrk. V 188
  • wer eyn spitz scheyden mezzer treyt, der vorluset vier wochin vnd eyne marg
    1351 MühlhsnRatsges. 75
  • ouch en sal nymant tragen byl, barten noch keynerleye howende adir spitze wapen, sunder aleyne messer und swert
    1370 DresdUB. 53
  • dem H.D. für die zwo zangen zum prennen vnd fur das spitze an den pfal geben 32 kr
    1534 Schuhmann,Scharfrichter 246
  • daß kein kuhe die andere schedlich verletze ... wo ein zu spitze oder groß horner hett, solt er daran sein, daß ir die zum furderlichsten abgeschnitten wurdenn
    1611 RheingauLändlRQ. 60
  • es soll keiner ... waffen, lanck oder kurtz, spitz oder scharpff ... bey ime tragen
    1611 RheingauLändlRQ. 62
II schmal und lang zulaufend; insb. von Schuhen und Judenhüten (I); das Spitze vom Schuh abwenden sich entfernen
bdv.: spitzig (II)
  • die ivden svln hvͤte tragen, die spitz sin
    um 1275 Schwsp.(L.) LR. Art. 262
  • eyn jowelk joͤde ... schal hebben eynen spistzen houd vppe
    um 1420? BrschwHzgUB. II 165
  • als man den teuffel ausbannete, [der in die schnabel der schuhe zufahren drohte,] ... wolt niemandts mehr spitze schuhe tragen
    1595 Hennenberger,PreußLandt. 279
  • [Eröffnung des Landgerichts:] recht bede ick, vnde unrecht verbede ick ... nicht mit bedecketen hövede vor dat gehegede recht tho gan ... unde nicht dat spitze vom scho aftowenden eher mine heren dat recht wedder upgegeven hebben
    16. Jh. Lübeck/ZRG.2 Germ. 26 (1905) 83
III
spitzer Groschen wie Spitzgroschen 
  • auch gingen kleine silberne groschen, und die bauern nanten dieselbigen spitze groschen, der galten 20 einen rheinischen gulten
    1478 Spittendorff 280
IV von Worten: scharf, verletzend, beleidigend
bdv.: spitzig (IV)
vgl. Spitzwort
  • die lender ... begundend ein andern beidersits vil spizer worten geben, also das ein grosser kyb vnd stoss darus ward
    um 1535 ArchSchweizG. 10 (1855) 218
unter Ausschluss der Schreibform(en):
unter Ausschluss der Schreibform(en):

Spitze

, f., auch Spitz, m.


I spitzes (I), scharfes Ende eines Gegenstandes; kann zB. bei einem Messer eine bes. Verletzungsgefahr darstellen; übtr.: mit Spitz oder Knopf mit allen Mitteln (Beleg 1540)
bdv.: 1Ort (I)
  • [bei der Krönung:] do nam hertzog L. das schwert uß siner schoß und hůb es hoch enbor und stackt den spitz in des küngs kron
    1414/18 Ulr.v.Richental 106
  • [jeder Zweikämpfer solle haben] ein schilt, der uf ieder seiten hat drei spitzen u. als lang der man ist
    um 1447 WürzbZ. I 2 S. 1281
  • wan der ancläger sweren wil, so züicht der bütel sein swert uss und setzt es also ploss mit den spitzen unden uff die erden und den knopf über sich, und legt der ancläger zwen vinger uff den swertknopf
    1466 EllwHGO. 77
  • schlüegen sich zween mit feusten oder stäben ..., dass man die spitze sehe, der freuel ist des gerichts
    1505 Hunsrück/GrW. II 163
  • [N. will] söllicher unerberer vergweltigungen ... ab sein und ain mal mit gedachtem apt mit spitz oder knopf hindurch khomen und entschaft machen
    1540 SchweizId. X 681
  • wuͤrff aber einer mit holtz, stangen ... vnd anders, welchs kein stachel noch spitzen von eissen hat ... der sols mit eim gulden verbuͤssen
    1543 Salwechter,GerProz. H ijr
  • wo sy in würtshüsern essend, keerend sy [Gauner] den spitz gegen inen an messern [als Erkennungszeichen]
    1546 SchweizId. X 678
  • daß hinfürters kein schröder ... einig wehr ... in des würths hauß oder in ihrer versamblung haben soll, außgenohmmen ein messer ohne spitz 
    1561 RheingauLändlRQ. 464
  • es werden auch vnder den landsknechten schlachtordnungen ... mit gesenckten spiessen geschreg ... gemacht, das weder roß noch mann vor den spitzen der spießeysen eynbrechen oder dringen mag
    1566 Fronsperger,Kriegsb. I 66r
  • wann dann in peinlichen sachen die vrthail gesprochen wuͤrdt, sol der feldtmarschalck das schwerdt in die handt nemen, vnd die spitz vber sich keren
    Reiterbestallung 1570 IV 16
  • sollen die andern zum rechten verordente personen ... dieweil die vmbfrag beschicht, vnd die vrthail gehet, die spitz der schwertter vnder sich kehren: hernacher aber wann die vrthail eroͤffnet, vnd erlesen würdt, sollen sie die spitzen vber sich kehren
    Reiterbestallung 1570 IV 17
  • oben auf dem pfahl ist ein langer eiserner spitzen gewesen, worauf man das haupt [nach der Enthauptung eines Gotteslästerers] gesteckt
    Ende 16. Jh. Silbermann,Straßb. 168
  • wo sich etwo bey einem unterthan ein allzu hoher gespitzter zaun befinden thaͤte, soll er anfaͤnglich zu abschneid- und hinwegthuung der spitz ermahnet, da es aber bey demselben nicht verfienge, solche spitz durch den forstknecht hinweg gehauet werden
    1692 CAustr. I 508
  • ein jeder soll von seinen kühen die spitze der hörner absagen wenn selbige aufs graß geschlagen werden. wer solches versäumt, bezahlt vor jedes stück 4 ß.
    1749 SchleswDorfO. 623
II
schmal zulaufendes Ende (insb. eines Schnabelschuhs); Schnabel IV 
vgl. spitz (II)
  • [das nieman] dheinen spitz oder snabel lenger denn ... das vorder gleich eins vingers an iren schůhen tragen sol
    1464 BernStR. I 188
  • ain vogtherr mach och lassen verbietten die langen schnaͤbel an den schůchen ... an 5 schilling pfening, und sol der spitz nit lenger sin dann zwayer glaich lang
    1466 SGallenOffn. I 437
  • man sol richten und nachgaͤn, als ettlich meister schůchmacherhantwerchs die spitz zuͤ lang gemacht hand
    1473 QSchweizG.2 II 1 S. 104
  • es sol ouch ain ieder maister sinen knechten sagen, das er die spitz an schüchen nit lenger trag denn das meß ist und ouch kain schantlich klaid, das verboten ist, trag, an x ß den
    um 1473 IsnyStR. 263
III erste Position, oberes Ende einer Hierarchie; sich an die Spitze stellen eine Vorreiterrolle übernehmen
  • er fordert am ersten den edeln und menlichen H.C., daz er wer an der spitzen 
    1450 NürnbChr. II 484
  • Mannsfeld steht an der spitzen, der steht dir bey in gfahr
    1621 Weller,Lied30jährKr. 133
  • wir [bad. Regierung] sind ... nicht gewillet, uns ... bey dem evangelischen cammergerichts-theile mit vorstellungen an die spitze zu stellen
    1764 WürzbDiözGBl. 18/19 (1956/57) 206
  • an der spitze dieser leztern gattung [amtliche gerichtsbarkeit] befindet sich in den meisten teutschen reichslaͤndern ein justizminister
    1785 Fischer,KamPolR. II 38
  • bei reichshandlungen steht der kaiser an der spitze 
    1804 Gönner,StaatsR. 434
IV milit.: Kopf, Spitze einer keilförmigen Gefechtsformation; auch die Keilformation selbst
  • [die wile der krieg werete,] ordetent [sü] und mahtent iren spitz, und sterketent enander
    1362 Closener 82
  • welcher an der spitzen vnnd im angriff in gegenwertigkeyt des kriegsuolcks zum ersten die flucht nimpt, der soll den kopff verlorn haben
    1550 Gobler,Rsp. 224r
  • spitz, das ist ein kriegsordnung oder ein hauffen fůßknaͤcht, die vornen spitzig vnd hindenauß ye lenger ye breiter
    1561 Maaler 381ra
V an einem Galgen: seitlich herausragender Firstbalken (zur separierten Hinrichtung insb. von Juden), sog. Judenspitze 
Sachhinweis: v.Amira,Todesstrafen 251, 325
  • M., jud von O., ... ein dieb ... alhie außerhalb des gerichts an die spitzen stranguliert
    1590 SchmidtScharfRiTb. 30
VI Stoff(band) mit durchbrochenem Muster
  • an den hauben, nackmaͤndlin vnd vberschlaͤglin kein spitzen noch durchsichtige bendel haben
    1628 StraßbPolO. 46
  • [Verordnung, dass] die sechswochen-bette mit so kostbaren seidenen vorhaͤngen und uͤberfluͤßigen weißen spitzen nicht behangen ... werden sollen
    Der Stadt Breßlau Policey- und Kleider-Ordnung (ebd. 1704) 65
  • koͤnigl. cabinets-ordre, daß alle kanten und spitzen, welche nicht mit dem siegel der regie gezeichnet und gesiegelt sind, als contrebande betrachtet werden sollen
    1786 NCCPruss. VIII 66
  • spitzen und kanten gehören nicht zur wäsche ... wohl aber zum putz
    1794 PreußALR. I 2 § 26
VII höchster Punkt, oberstes Ende (zB. eines Turms); übtr.: auf die Spitze setzen gefährden, einem Risiko aussetzen
  • wir setzend den adler uf den spitz des großen turns, damit daß inn K. und all sin volck gsächen mögend
    16. Jh. Haimonsk. 191
  • drankgeltt, den han auff die spitze zu setzen
    1600 Sachsen/ArchKulturg. 1 (1903) 400
  • wenn der jenige, so den thron beherrschet, die regierungs-kuͤnste nicht verstehet ... sondern ... den staat ohne noth auff die spitze setzet und zu falle zu bringen suchet
    1691 Pufendorf,Sittenlehre 487
  • was so ... von denen majoribus für ein ganzes geschlecht geordnet durch die unwirtschaft eines fideicomisserben auf die spitze gesetzet werde
    1717 Chorinsky,Mat. I 267
unter Ausschluss der Schreibform(en):
unter Ausschluss der Schreibform(en):