Deutsches Rechtswörterbuch (DRW): Gesinde

Gesinde

ahd. gasindi, kasindi, kisindi; frk. langob. gasindus, casindus, casindium; ags. gesið; ostfries. ghezynne. zu ahd. sind; ags. sið der Weg; Grundbedeutung daher Weggenosse

I Gefolgsleute

I 1 Gefolgsleute, meist vornehmen Standes, in freigewählter Abhängigkeit vom König, von einem geistlichen oder weltlichen Herrn;
  • tam cives quam coloni ac gasindi 
    479 MGDiplImp. I 113
  • in gasindio ducis
    643 Edictus Rothari c. 225/LLangob. 56
  • gif mon elðeodigne ofslea ... gif he ðonne maegleas sie, healf kyninge healf se gesið 
    690 Liebermann,AgsG. 98
  • de gasindis ... nostris volumus
    724 Liutprandi Leges/LLangob. 132
  • quiscumque liber homo in servitio de gasinidio regis
    746 Ratchis Leges/LLangob. 191
  • ... quoniam nos debemus gasindios nostros defendere
    746 Ratchis Leges/LLangob. 193
  • quicquid gasindus noster [Pippin] Teudbertus per nostrum beneficium ipsam villam ... tenuit
    754 MGDiplKarol. I 11
  • abba ... expetiit, ut eum ... una cum omnibus ... amicis gasindis susceptis
    760 MGDiplKarol. I 20
  • [inquirendum] quae beneficia dominicus gisindius habuit
    865 Cap. II 94
  • casindios regis. id. qui palacio regis custodiunt
    um 1005 Glossarium Cavense/LLangob. 653
  • gaida: id. casindios 
    um 1005 LLangob. 654
  • comites eius casinde sine
    oJ. AhdGl. I 313
  • in comitatu inkesinde ngesinde 
    oJ. AhdGl. I 736
  • unz Ulixis gesindin der Ciclops vrâz in Sicilin Anno 363. tho huop sich thaz gesinde mane helt êrlich
    um 1172 PfaffeKonrad V. 6690
  • ir, vil edeliu künegîn, mich lâzet iwer gesinde sîn
    1255 Ulr.v.Liechtenst. I 752, 5
  • hêr David ... der hête sumeliche lûte under sîme gesinde, der ambeht was, daz sie alleine sînes houbetes hûten
    1264 DOrdStat. 24 (Prolog 3)
  • we greve Frideric van Werningherode, greve Olric van Regensten ... bekennet ... dat unse ersame herre her Otte ... hevet uns untfangen unde genomen to ghesinde unde we scolen eme wesen unde don also edele lude plegen
    1319 HHildeshUB. IV 266
  • ik bin mynes herren hertogen Erikes van Sassen gesinde unde diner geworden, unde schal om mit mynen vesten du dinste sitten ... unde disse ... vesten die sullen des vorbenomeden herren ... openen vestin sin tu alle sinen noden
    1351 MecklUB. XIII 128 nr. 7546
  • waren grav Hawg Niderthorer, Hohenfelder vnd etlich ander mer seines gesinds bey jm
    1485 AlbrAchillesKaisB. Forts. 159
  • Für Bedas comes, womit zum Teil der hochstehende Gefolgsadlige, auch der Prinz bezeichnet wird, setzt der ags. Übersetzer regelmäßig gesið 
    oJ. Liebermann,Gl. 428, 3d
  • quod gasindus ille (unus ex optimatibus suis) mortuus esset
    oJ. MGScrMerov. IV 206
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in der Dichtung auch für vornehme Frauen, die sich dem Gefolge eines Königs anschließen
  • wan ich [Artus] bin iur [Flordibel, Tochter eines indischen Königs] zuo gesinde vro
    oJ. Pleier 6, 557
  • P.S. Leicht, Gasindi e vasalli (Roma 1927)
  • Brunner,RG.2 I 188
  • Brunner,RG.2 II 350f.
I 2 geistige Gefolgschaft oder Abhängigkeit
  • sorgên mac diu sêla unzi diu suona argêt ... ipu sia daz Satanâzses kisindi kiuuinnit
    870 Muspili/MSD. 7
  • die zwêne gotes gesinden 
    1120/30 Exod.(Papp) V. 1390
  • dâ was des obersten gerich über des tiuwels gesinde 
    um 1233? Stricker,Karl V. 5604
  • des endecristes gesinde sint sie [die Angesehenen]: und vil kunge groz, hohe fursten und der genoz, graven, frigen, dienstman, darzuo mengen cappelan
    1293 Langenstein,Martina 492
  • kan einer düsses Belsebubs gesindeken frundt syn
    1587 Mensing
  • hore Lucifer, lieber meynster myne, das ist das snode gesunde dyne
    oJ. Froning II 581
-- übertragen
  • diu [die Sorge] was min gesinde nu vil manigen tak
    oJ. HMS. I 306
I 3 Kriegsleute
  • milicie kisindes 
    oJ. AhdGl. I 284
  • wurde oͧch eine stat ... die andern manen, daz sie ir ein gesinde luhe zů lantwere
    1326 BaselUB. IV nr. 59
  • wenne er mit werlichem gesinde ... in die vestige Befort ... ze riten ... bedürffe
    1367 Urkundio I 51
  • zwaien boten ... daz si erfuren, ob icht gesindes da wer
    1372 AugsbChr. I 27
  • armes gesinde das nicht spörn trait
    1377 SteirLArch. hschr. 3264a
  • sie samlen sich ... bey jrem ... fendrich gchwind ein starck ... gsind 
    1548 Schmeltzl,Lobspruch V. 1152
  • es soll auch keiner [der Reuter] dem andern sein reisige knecht oder ander gesind abspännen
    1567 Moser,KreisAbsch. I 481
  • sey verzagt der Vandalen gesind 
    1664 Hohenberg III V. 172
  • denn es hielt schon ein gesind vor uns
    oJ. Götz v.Berlichingen/ZWirtFrk. 4 (1856/58) 425
II Hausleute

II 1 wie neuhochdeutsch; Hausdienstleute, oft nur auf begrenzte Zeit
  • man sol daz gesinde behalten biz zem drizegesten, daz si sich die wile besteten
    um 1275 Schwsp.(L.) LR. Art. 25 a
  • ez sol auch ein vogt ... rihten ... hinz allen den die eigent hus habent ... ane die in chorherrenhofe oder in der dienstmanne oder in der goteshuser hofe sitzent ... ez enwaere danne als verre ob kain ir gesinde geschaefte hant, davon si stiurent
    1276 AugsbStR. Art. 70 § 2
  • milteclicher güete solt du gen dem gesinde phlegen
    nach 1291 Reinfried 11657
  • den weert ofte sin gesinde 
    13. Jh. Riga/Stieda-Mettig 237 (nr. 2, 14)
  • min here heft hemlieden ghegheven gheleede ... ende haren ghesünde 
    1318 CartLouisdeMale 692
  • wier wellen, daz chains mans chint oder knet oder ander gesinde, daz an seim prot ist, icht mer vortopeln mug, den sein gewant
    um 1330 BrünnRQ. 360
  • were eyn borghere, dey knecht eder ghesinne worde eynes heren, ritters eder knapen, die sal siner borgerscap entwaret siin, hie en dede das met wulbort des rades
    1355 DortmStat. 78
  • ouch beschuldiget eyn knecht adir mayt synyn hirren, des her tegelich gesynde ist, omme syn verdinet lon und her im des leukint
    1359/89 MagdebBresl. 89
  • voort mach elc coopman ... ziin ghesinde hebben dat hem offene comt om redelic loen ende dat ghesinde sal hem niemant nemen also langhe als zij haer ghebruken willen
    1360 InvBruges II 90
  • dat nyman armborst ... voren scal ... id en sy wytliken en knecht edder daghelikes ghesinne der heren, der heren voghede edder der ratmanne van den steden
    1366 MecklUB. XVI 119 nr. 9560 A
  • confirmeren den vorscrevenen copmanne unde schipperen van der dutschen hense, eren ghesinne unde familien al de olden privilegie
    1454 HanseRez.2 IV 190
  • es soll nymands dem andern sein ungeurlaubt gesinde abspannen, mitten oder auffnemen
    1499 ErnestLTA. 46
  • meyner gnedigen frauen dienerin und gesindt: [24 Personen] 1 hofmeisterin ... ein hofmeister
    1520 Kern,HofO. II 2
  • denen knechten, dienern und gemainem gesind, die ... auf gnad dienen, irer ... belonung halber .. ordnung fürgenommen ... werden
    TirolPolO. 1573 Bl. 23
  • welch gesinde vor der zeit außtrit, sol mit gefängnüß gestrafft werden
    1599 DirschauWillk. 44
  • die geringste art des gesindes sind knechte und mägde ... es gehören aber auch andere dazu ... schreiber, exercitienmeister, informatores, verwalter, hofmeister
    1738 Hayme 246
  • unter ... gesinde oder dienstboten werden alle ... leute und personen verstanden, welche sowohl bei vornehmen ... andern einwohnern, deren städten und märkten ... oder auch auf dem lande ... in einem beständigen lohn und brot stehen ... es mögen dieselbe ein oder ausländische, frei oder unterthänige und leibeigene leute sein
    1756 Archiv český 24 (1908) 252
  • desgleich mag auch ein herschaft einen gesind, das es gedingt hat, vir woch vor aufsagen, ab es sein nit haben wolt
    oJ. EgerStG. 21
  • hat ein man gesinde gemietit, iz si knecht oder mait, die mac he wol zuchtigen mit worten, mit slahen unde mit roufene ane blutrunst, unde darf in nicheine antwerte darumme geben, wen si sine gemiette boten sin
    oJ. FreibergUB. III 148
  • hat ein man gesinde, ... die in sinem brote sin ... die heizen sin gewalt, also daz he vor si klagen unde antweren mac ob he wil
    oJ. FreibergUB. III 148
  • wir hertzoghe Otto sullen ouch ghelden und wedertun ... swaz unse burchmann, unse ammechtman, unse eyghene lute oder unse ghesinde in deme lantfr[eden] nemen oder rouben
    oJ. GöttingenUB. I 127
  • gesinde soll weder finden noch verlieren
    oJ. Graf u.Dietherr 179
  • so man gedingt gesinde habe, vnd das selbige mitten oder sunst ym jar, es wer mit wissen oder nit, von ym brechen wolle ... urtheill: wer eyn dinstpotten dinckt, der dingt yn darumb das er yn die zceit haben woll
    oJ. GrW. III 590
  • wir wollen yn, syne muntzgesellen und andere sien tegelich gebratte gesinde schutzen
    oJ. JenaUB. II 54
  • so ist ime auch das gesinde allenthalben angeweist vnnd sollenn ime die zins vnnd lehen leuthe ... auch angeweist werden
    oJ. MittOsterland 2 (1845/48) 177
  • es were danne ob ir gesinde, daz darinne wonende were, gůt hette von in selber in der marken oder uzwendig, off dazselbe gůt mogent die burger bede setzen
    oJ. MosbachStR. 556
  • daz deu [d.h. Waffen] nieman tragen sol denne der lantrichter ... und sein gesinde, das sein brot isset ... und der schulthaze und sein tegelich gesinde, daz sein brot isset
    oJ. NürnbPolO. 38
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auch Bezeichnung für Leute, die nicht in der Hausgemeinschaft stehen
  • des vicetůms gesinde, die zu irme brode gen und die in irme huse slafen, uber die sulen si richten
    1289 ErfurtWeist. 23
II 2 Handwerksgesellen und Lehrlinge
  • es sol auch ein jeder meister dem andern gesind in der not zu leihen macht haben
    1352 FrankfZftUrk. II 420
  • alle melczere unde bruwer, dy unde ore gesinde ... dy sullen swern, deme rate gehorsam zcu sine
    nach 1358 Rb.n.Dist. V 17 Dist. 1
  • welch meister dem andern zeyn gesinde entfremdet
    1377 KrakauZftO. 54
  • so ein meister kranck wurde und nicht viell volckes oder gesinde hette
    1578 Riga/Stieda-Mettig 477 (nr. 91, 23)
  • ob es sach, dass ein meister ein sohn hette, der das handwerck lernete, dem sol onbenommen sein denselben ... bei anderm gesind zu lernen
    1588 Bruchsal 935
  • daß auch ein jeder ... ein meisterstuck aufweisen solle; wann er das nicht kann, mag er wohl allein arbeiten, aber kein gesind fürderen
    1675 Argovia 1 (1860) 337
  • abspannung des gesinds am handwerg als gesellen und jungen
    1695 Beier,Meistersöhne 153
  • so ein meister stirbet und eine wittib nach ihm läßet, mag sie das handwerk durch gesinde treiben und befördern
    1696 Wuttke,Städteb. 122
II 3 Hausgenossenschaft
  • o wie mancher schöner palast und herliche ... geheuse, die vor [der Pest] mit edelm und wirdigem gesinde, grossen und kleinen, besessen waren
    oJ. DWB. IV 1, 2 Sp. 4121
II 4 Sippe, Familie
  • in der arche obene was mit sinem gesinde Noe: er und sine gemahele, sine snur und ir winige
    1120 GenesisM. 28, 17
  • die dritten ... das ist dein gesinde, daz under dir ist: kint und husfrouwen
    um 1275 Berth.v.Regensb. II 130
II 5 Eheleute
  • Wybet unde Bawe to Umyngheborch, echte ghezynnen, bekennen
    1484 OstfriesUB. II 202
II 6 Freundschaft, Leute, mit denen man verkehrt
  • wann ein iglicher herre, er sei pose ader gut, so wirt er allewege geachtet, als er gesinde hat
    1400 Zycha,BöhmBgr. II 57
III sonstige Abhängige, Hintersassen

III 1 von einer Stadt

III 1 a persönlich abhängig
  • onechten luden unde spelluden, den ghift man drittich schillinghe lüttiker penninghe to bute, de der stat ghesinde sin
    1. Hälfte 14. Jh. GoslarStat. 86
III 1 b angestellt, beamtet
  • ok we seck vorgrypet an dess radess gesynde effte der stadt des broke schal stan an des radess hant
    1426 OsterwieckStB. 24
  • thorwartten und wachtter und schiltwechter ... und all ander gesinde der stadt als schreiber, schatzmeister, buchsenmeister, bornmeister, grabenmeister und stadtknechte
    1543 ArnstadtStR. 77
III 2 Gerichtspersonen
  • adir mag her ... geclagen deme richtere uf deme margte ... adir ab her des richters gesynde clayt, ab der richter doheyme nicht enwere
    Anf. 14. Jh. FreibergBR. 272
  • das der richter gegen keinen burger in den stetten mit seinem gesinde noch mit seinen schergen nicht bringen noch beweren sol
    1305 BlNÖLk. 1 (1865) 267
  • alse sik de richter meth des richtes gesinde woll beraden hatte
    1484 Berghaus I 561
III 3 Hörige, Hintersassen
  • wir Joannes Reyman probst ... vnd das gantze capitel der kirchen czu Pomezan thuen kunt ... daz wir haben angesehen daz getruwe dynst der Preusen vnsers dorfes Colmen ... und haben yn losen vsmessen noch huben czal jo dem gesinde ... sien sollen czwelve ... eyne gantze hube; dyselbigen sy haben sollen vorwert eweclich czu colmischem rechte erplich vnd czu prewsschim dinste czu dynen dovon alz sy vormals habin gedint, so vnd wy man irer bedorfte
    1401 PomesanienUB. II 165 (nr. 113)
  • enen hof ... mit enem gesinne, mit ackere, hoislagen, und ... aller tobehoringhe, so de in sinen enden und schedingen bowedemet, gebuwet und bogrepen is
    1500 RigaErbb. 154 [Dieser Beleg vielleicht zu IV]
  • wu dat eme uth zinen güdern twe geszynde myt wiff unde kindern unde ereme gude bynnen juwe stadt [Reval] ettogen ... zyn
    oJ. Lasch-Borchling II 87
IV Bauernhof
  • alle de renthe, de wye hebben an der oversten molen vor derselbigen stadt bolegen mit dem dorppe to Jerwekull, dat an sick negen haken landis und seß gesinde ist hebbende
    1456 RevalStR. II 125
  • item vor drey gesinde die gesaczt wurden 150 m
    15. Jh. DOrdGrÄmterb. 4
  • worneben die bauerschafft ... anermahnet wird, in ihren gesindern zu bleiben
    1710 RevalStR. II 371
  • der zehnte theil der in einem gesinde oder auf dem ganzen gute wohnenden arbeitsseelen
    oJ. Gutzeit,Livl. Nachtr. I 56
  • Johan Spenckhußen ... und synen erven ein stucke erflandes in dem Bicker ... mit eynem gesynde Herman Raße genant mit aller siner tobehoringe nutt und bequemicheit ... to besittende
    oJ. RigaErbb. 358
V verallgemeinert

V 1 Schar, Leute, Volk
  • gumuno gesiði 
    9. Jh. Genesis 248
  • erzag nit ab jrem [der Kinder Israel] angesicht, dann es ist ein widerspännig gesind 
    1530 DWB. IV 1, 2 Sp. 4112
  • beim fürstlichen Hochzeitsmahl gibt es zweierlei Trachten Speisen, die eine für frouwen, ritter und edel personen, die andere für das gemein gesind 
    oJ. DWB. IV 1, 2 Sp. 4112
V 2 Gattung, Art
  • die fünften liute, die in dem fünften amte sint und zo dem fünfte kôre geordnet sint, das sint alle, die das ertriche buwent, si buwen wîn oder korn ... daz ist alles ein gesinde und ein amt
    oJ. Berthold von Regensburg/DWB. IV 1, 1 Sp. 4112
VI Gesindel
  • spiler, ... rauber ... und annders verwegens ... gesind 
    TirolLO. 1573 VII 9
  • daß die kirchtag von den auslaͤndischen umbstreichenden unangesessenen kramern, landfahrern, hausirern und dergleichen frembden gesind vielfaltig besucht
    1599 OPfalzLO. 29
  • da deren [Wirte] einer oder mehr uͤber diß unser gebot sich gedachte gartknecht und ander dergleichen gesind ferner zu beherbergen understehen wuͤrde
    1599 OPfalzLO. 53
  • idt sint ock in dersuluigen tidt veele strandtdeue geworden, den veele gesindecken ... ahne allen schuve kisten vnd kasten alss men secht spolirt ...
    1620 Mensing
unter Ausschluss der Schreibform(en):
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